12.09.2017: Oberlandesgericht Hamm: Bindungswirkung zweier Verfügungen, die 39 Jahre auseinander liegen

Gemeinschaftliche Testamente von Ehegatten entfalten in der Regel mit dem Tode des ersten der beiden für den länger Lebenden eine Bindungswirkung. Letzerer kann solche Verfügungen nicht mehr abändern, die im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu einer Verfügung stehen, die sein verstorbener Ehegatte getroffen hatte. Typischerweise kann er die Erbeinsetzung des gemeinschaftlichen Kindes nicht mehr ändern, wenn er selbst vom Verstorbenen zum Alleinerben eingesetzt worden war.
Das OLG Hamm hat klargestellt, dass diese beiden Verfügungen – die Erbeinsetzung des länger lebenden Ehegatten einerseits und die Einsetzung des Kindes als Erben des länger lebenden Ehegatten – keineswegs in einer Urkunde enthalten sein müssen. Es kann auch in einem gemeinschaftlichen Testament zunächst nur der Ehegatte zum Alleinerben eingesetzt werden und sodann – auch 39 Jahre später – in einem weiteren gemeinschaftlichen Testament das Kind zum Schlusserben gemacht werden. Entscheidend ist nicht der Zeitablauf, sondern der Wille der Eheleute, beide Verfügungen inhaltlich so miteinander zu verbinden, dass die eine mit der anderen stehen oder fallen soll. Dieser Wille muss zudem in den Urkunden zumindest andeutungsweise hervorgetreten sein
Hat später der länger lebende Ehegatte entgegen dieser Bindungswirkung sein Vermögen, auch das ererbte, an eine neue Partnerin verschenkt, so steht dem geprellten Kind gegen die neue Partnerin ein Herausgabeanspruch zu. Dazu hat das OLG entschieden, dass das Kind nicht nur Herausgabe der Substanz verlangen kann, sondern auch die Erträge des Verschenkten, also Zinsen, Dividenden und Wertsteigerungen, und dass nicht nur die Erträge herauszugeben sind, die seit dem Tod des Vaters angefallen sind, sondern alle Erträge seit der Vornahme der Schenkung. Letzteres bleibt umstritten.

OLG Hamm, Urteil vom 12.09.2017, Aktenzeichen 10 U 75/16