28.06.2022: Oberlandesgericht Köln: Erbeinsetzung nach verhältnismäßigem Wert zugewandter Gegenstände

Das deutsche Recht unterscheidet, für den Laien unübersichtlich, zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis. Vermachen kann man Gegenstände; erben kann man nur zu einer Quote vom Gesamtnachlass: nämlich entweder als Alleinerbe (Quote 100%) oder als Erbe zu einem Bruchteil, z.B: 1/2 (Quote 50%).
Nennt jemand in seinem Testament, ohne einen Erben zu bezeichnen, nur einzelne Gegenstände (Haus, Auto, Bankkonto etc),  so liegt es nahe, dass es der Autor des Testaments bei der gesetzlichen Erbfolge belassen möchte und nur einzelne Gegenstände per Vermächtnis diesen oder anderen Personen zuweisen will. Das Gesetz sagt sogar, dass im Zweifel sogar dann nur einzelne Vermächtnisse vorliegen, wenn die Bedachten im Testament als Erben bezeichnet werden (§ 2087 Abs.2 BGB). Verteilt der Erblasser aber auf die genannte Weise sein gesamtes Vermögen oder das allermeiste davon, so wäre die Annahme, dass es daneben noch Erben geben soll (welche leer ausgehen, weil schon fast alles verteilt ist) praxisfremd. Solches möchte man dem Erblasser nicht als Willen unterstellen. So hat hier das OLG Köln entschieden in einem Fall, in dem der Mann seiner Frau sein größeres Haus, sein Auto und offene Forderungen und der Tochter sein kleineres Haus “vererbt” hatte (ohne aber zu sagen, mit welchen Quoten die beiden jeweils Erbinnen sein sollten. Das OLG Köln hat sich gegen die Vorstellung des § 2087 Abs.2 entschieden, wonach beide Frauen mit je 1/2 Erbteil gesetzliche Erbinnen geworden wären, sondern eine Erbeinsetzung nach dem Verhältnis der zugewandten Werte für richtig erachtet. So wird die Ehefrau nun mit einer Quote von etwa 4/5 Erbin, die Tochter mit einer Quote von 1/5.
Da die Bezeichnung einer Person als “Erbe” oder die Bezeichnung der Zuwendung als “vererben” nicht ausschlaggebend ist (siehe § 2087 II BGB), hätte der Fall auch so ausgehen können, dass die Ehefrau Alleinerbin ist und der Tochter lediglich das kleinere Haus als Vermächtnis schuldet. So in etwa geschah es im Fall des OLG Saarbrücken vom 30.03.2022. Festen Boden sucht man hier vergeblich.

OLG Köln, Beschluss vom 28.06.2022, Aktenzeichen 2 Wx 129/22 (und 131/22)

05.04.2022: Oberlandesgericht München: “Bargeld” sind manchmal nur Münzen und Scheine

Jemandem sein “Bargeld” zu vermachen, kann Anlass für Unstimmigkeiten werden: der eine versteht unter Bargeld nur die hinterlassenen Münzen und Scheine (im Portemonnaie und unter dem Kopfkissen); der andere versteht darunter auch die Bankguthaben. Für die Auslegung kommt es auch darauf an, ob die Bankguthaben irgendwo sonst im Testament Erwähnung gefunden haben; falls nicht liegt es nahe, dass diese beim “Bargeld” mitgemeint sind. Doch eine Regel gibt es dafür nicht, und das OLG München hat hier unter “Bargeld” tatsächlich nur Münzen und Scheine verstanden.

OLG München, Beschluss vom 05.04.2022, Aktenzeichen 33 U 1473/21

05.04.2022: Oberlandesgericht Frankfurt a.M.: Vermächtnis ausgelaufener Wertpapiere

Vermacht jemand bestimmte Wertpapiere, und wurden diese Wertpapiere nach Errichtung des Testaments verkauft, so richtet sich das Vermächtnis auf den Verkaufserlös, jedenfalls, wenn der im Nachlass noch vorhanden ist, § 2173 S.1 BGB. Dasselbe gilt entsprechend, wenn die Wertpapiere nach Errichtung des Testaments ausgelaufen sind und der Gegenwert dem später Verstorbenen ausgezahlt wurde. Dasselbe gilt laut der hier vorliegenden Entscheidung, wenn nicht direkt die Wertpapiere vermacht wurden, sondern testamentarisch zunächst der Verkauf der Wertpapiere verfügt wurde mit der Maßgabe, dass der Verkaufserlös vermacht ist. Auch hier trete an die Stelle der Papiere der Erlös, und zwar unabhängig davon, ob die Papiere schon ausgelaufen und ausgezahlt waren oder erst noch verkauft werden mussten. Die Erblasserin habe – statt die Papiere direkt zu vermachen – auf notariellen Rat hin angeordnet, dass die Papiere zunächst verkauft und dann erst der Erlös vermacht würde – nur zum Zwecke der Vereinfachung, und nicht, wie die Erben meinten, damit ihnen der Erlös desjenigen Betrags verblieb, der schon durch Auslaufen vor dem Tod an die Erblasserin ausgezahlt worden war.

OLG Frankfurt, Urteil vom 05.04.2022, Aktenzeichen 10 U 200/20

04.04.2022: Amtsgericht Dresden: Klage auf Einsicht “in sämtliche Belege”

Der Mieter hat ein Recht, alle Belege einzusehen, die für die Betriebskostenabrechnung von Bedeutung sind. Unklar ist aber, wie er seinen Klageantrag formulieren muss, wenn der Vermieter ihm die Einsicht verweigert. Das Amtsgericht Dresden hat entschieden, er dürfe pauschal “Einsicht in sämtliche Belege” verlangen, sofern der Vermieter ihm vorher noch gar keine Belege vorgelegt hatte. Er muss also die Belege nicht einzeln benennen. Diese Pflicht treffe ihn erst, sobald der Vermieter ihm im Grundsatz Einsicht gewährt hatte, und hierbei einzelne Belege fehlten.

AG Dresden, Urteil vom 04.04.2022, Aktenzeichen 144 C 3008/21

30.03.2022: Oberlandesgericht Saarbrücken: Alleinerbeinsetzung trotz mehrerer “Vererbungen” im Testament

Dass jemand in seinem Testament verschiedene Gegenstände an verschiedene Leute “vererbt”, bedeutet noch nicht, dass diese auch tatsächlich Erben werden (also seine Rechtsnachfolger, und nicht nur Empfänger bestimmter Gegenstände). So sagt § 2087 Abs. 2 BGB, dass jemand, dem ein bestimmter Gegenstand zugewendet wird, im Zweifel nicht Erbe ist (sondern nur ein Vermächtnis erhält), auch wenn er im Testament als Erbe bezeichnet wird. So hat hier das OLG Saarbrücken zugunsten einer Lebensgefährtin entschieden, die im Testament ebenso als “Erbin” bezeichnet wurde wie zwei Nichten des Erblassers. Die Lebensgefährtin hatte aber die wertvolleren Objekte zugewiesen erhalten und außerdem die Pflicht zur Beerdigung und die Verantwortung für “Folgekosten” übertragen bekommen. Das OLG hielt es daher für richtig, dass die Lebensgefährtin entgegen dem Wortlaut des Testaments hier vom Nachlassgericht als Alleinerbin behandelt wurde.

Saarländisches OLG, Beschluss vom 30.03.2022, Aktenzeichen 5 W 15/22

16.03.2022: Bundesgerichtshof: Kein Ausschlagungsrecht des Nachlasspflegers

Hat das Nachlassgericht zur Sicherung des Nachlasses einen Nachlasspfleger eingesetzt, so kann dieser (natürlich) für keinen potentiellen Erben das Erbe ausschlagen. Er ist aber auch nicht berechtigt, zugunsten der potentiellen Erben eine weitere Erbschaft auszuschlagen, die der Verstorbene kurz vor seinem Tod gemacht hat, auch wenn diese Erbschaft offensichtlich überschuldet ist. Das Recht, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen, ist immer höchstpersönliches Recht der Erben selbst und nie des Nachlasspflegers.

BGH, Beschluss vom 16.03.22, Aktenzeichen IV ZB 27/21

03.03.2022: Amtsgericht Hamburg: Sammelpositionen machen eine Betriebskostenabrechnung immer formell unwirksam

Wenn der Vermieter über die Betriebskosten abrechnet, muss er seine Kosten immer gemäß dem Katalog der Betriebskostenverordnung umlegen: (“Gartenpflege”, “Beleuchtung”, “Schornsteinreinigung”, “Sach- und Haftpflichtversicherung”, “Hauswart” usw.). Der Vermieter muss also ihm entstandene Kosten immer den vorgegebenen Kategorien zuordnen. Das gilt auch dann, wenn der Hauswart ihm eine einheitliche Rechnung über Hausmeistertätigkeit und Gartenpflege geschrieben hat. Der Vermieter muss Hausmeistertätigkeit und Gartenpflege auseinander rechnen oder den Hauswart auffordern, ihm getrennte Rechnungen vorzulegen. Der Vermieter darf also keine Misch- oder Sammelpositionen erfinden, unter denen er abrechnet (“Haus- und Gartenpflege”). Dasselbe gilt beim Stromverbrauch: Läuft außer der Treppenhausbeleuchtung auch eine gemeinschaftliche Waschmaschine auf denselben Zähler, dürfen die diesbezüglichen Stromkosten nicht als “Hausstrom” abgerechnet werden. Auch dies wäre eine unzulässige Mischposition. Die Verwendung von Mischpositionen führt zur Ungültigkeit der Abrechnung dieses Postens (“formelle Teilunwirksamkeit”). Dieser Mangel kann im laufenden Gerichtsverfahren nicht mehr korrigiert werden, wenn die Abrechnungsfrist abgelaufen ist (31.12. des Folgejahres). Vor allem aber führt sie zur Ungültigkeit der gesamten Abrechnung – es sei denn, man könnte diesen Posten aus der Rechnung streichen, ohne dass sich an der Nachzahlung etwas ändert (vgl. dazu BGH VIII ZR 84/07)..
Das Amtsgericht Hamburg hat nun entschieden, dass auch dann keine Mischpositionen verwendet werden dürfen, wenn unter diesem Begriff nur eine einzige Kostenart abgerechnet wird. Also: Ist an den Stromzähler tatsächlich nur die Flurbeleuchtung angeschlossen, darf diese trotzdem nicht als “Hausstrom” abgerechnet werden, weil der Mieter eben aus der Abrechnung selbst nicht erkennen kann, ob hier nur Flurbeleuchtung abgerechnet wird oder auch weitere Anlagen.

AG Hamburg, Urteil vom 03.03.2022, Aktenzeichen 48 C 320/20

08.02.2022: Oberlandesgericht Rostock: Der testamentarische “Hauserbe” wird gar nicht Erbe.

Häuser kann der Mensch, wie auch sonstige Gegenstände, nicht vererben. Gegenstände kann man nur vermachen; das Vermächtnis begründet nur einen Anspruch auf Herausgabe gegen den Erben – den Rechtsnachfolger des Verstorbenen. Die Unterscheidung zwischen Vererben und Vermachen ist weithin unbekannt und auch nur schwer nachvollziehbar. Das Gesetz ist hart und erklärt in § 2087 Abs. 2 sogar, dass der mit einem Gegenstand Bedachte im Zweifel nicht einmal dann Erbe ist, wenn er im Testament als Erbe bezeichnet wird. Im Zweifel heißt zwar nur: “wenn das Gericht nichts anderes feststellen kann”, und häufig ist es festzustellen, dass diejenigen, die die wertvollen Teile aus einem Nachlass “vermacht” bekommen haben, auch Erben sein sollen (Schulden bezahlen und Beerdigungskosten tragen). Aber es kann auch anders gehen, und so war es hier. Die Eheleute hatten ein altes reetgedecktes Haus auf Rügen und setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Sodann bestimmten sie, dass das Haus nach ihrer beider Tod an einen Dritten fallen sollte; näheres blieb künftigen Verfügungen vorbehalten. Die gemeinsame Tochter wurde in dem Testament nicht erwähnt. Das OLG in Rostock urteilte: der Dritte sollte das Haus nur als Vermächtnis bekommen; Erbin war – kraft gesetzlichen Erbrechts – die Tochter der Eheleute, da sie nirgends enterbt worden war. Besonderes Pech für den Dritten: der zuletzt verstorbene Ehegatte hatte das Haus kurz vor seinem Tod noch verkauft. So wird der Dritte schauen müssen, ob er immerhin den Kauferlös als Ersatz für sein Vermächtnis beanspruchen kann, oder ob er nun ganz leer ausgeht.

OLG Rostock; Beschluss vom 08.02.2022, Aktenzeichen 3 W 143/20.

01.12.2021: Bundesgerichtshof: Der Erbe hat dem Pflichtteilsberechtigten auch die Richtigkeit eines notariellen Nachlassverzeichnisses eidesstattlich zu versichern.

Der Pflichtteilsberechtigte hat gegen den Erben einen Anspruch auf Auskunft über den Nachlass; ohne eine solche Auskunft wäre er in der Regel nicht in der Lage, die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu errechnen. Der Anspruch ist durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu erfüllen. Der Pflichtteilsberechtigte kann wählen, ob das Verzeichnis von dem Erben selbst oder von einem Notar zu erstellen ist. Er kann sogar ein vom Erben und ein vom Notar erstelltes Verzeichnis verlangen. Vorzulegen hat das Verzeichnis in jedem Fall der Erbe, und er trägt auch die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des vorgelegten Verzeichnisses, hat der Erbe diese an Eides Statt zu versichern (§ 260 BGB). Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass es auch im Falle eines notariellen Verzeichnisses nicht der Notar, sondern der Erbe ist, der die Richtigkeit und Vollständigkeit an Eides Statt zu versichern hat.
Sollte der Erbe der Auffassung sein, dass das notarielle Verzeichnis lückenhaft oder falsch ist, steht es ihm selbstverständlich frei, seine Eidesstattliche Versicherung zusammen mit einer entsprechenden Korrektur abzugeben.

BGH, Urteil vom 01.12.2021, Aktenzeichen IV ZR 189/20

03.11.2021: Oberlandesgericht München: Kinder treten nicht automatisch an die Stelle ihrer bedachten Eltern

§ 2069 stellt die Regel auf, wonach anstelle einer testamentarisch bedachten Person, die vor Eintritt des Erbfalls stirbt, im Zweifel deren Kinder als Erben anzusehen sind. Wohlgemerkt: im Zweifel. Es kann sich also auch ergeben, dass der Testierende ganz bewusst nur die von ihm eingesetzte Person bedenken wollte – dass er also gerade nicht – für den Fall, dass die eingesetzte Person den Erbfall nicht mehr erlebt – deren Kinder einsetzen wollte. Im hier zu entscheidenden Fall hatten zwei Eheleute in einem Erbvertrag lediglich den Sohn des Ehemannes eingesetzt – und hinzugefügt: “Sonst wollen wir nichts bestimmen.” Insbesondere bestimmten sie nicht, dass die Kinder dieses Sohnes Erben sein sollten, falls der Sohn selbst den Erbfall nicht mehr erleben sollte. Leider versäumten sie, die klarstellende Bemerkung aufzunehmen: “Insbesondere möchten wir keine Ersatzerben bestimmen”. Das Oberlandesgericht München hatte den Erbvertrag auszulegen und den Willen der Eheleute zu ermitteln. Es kam zu dem Ergebnis, dass diese tatsächlich keine Ersatzerben einsetzen wollten. In diesem Fall hat sich also die Regel des § 2069 BGB nicht durchgesetzt.

OLG München, Beschluss vom 03.11.2021, Aktenzeichen 31 Wx 110/19

13.10.2021: Bundesgerichtshof: Doppelte Kündigung wegen Zahlungsverzugs

Der BGH bestätigt seine schon mehrfach geäußerte Rechtsauffassung, wonach die sogenannte Schonfristzahlung durch den Mieter nur eine fristlose Kündigung aus der Welt schaffen kann, nicht aber auch eine daneben (“hilfsweise”) ausgesprochene ordentliche Kündigung. Er betont dabei, dass im Falle der ordentlichen Kündigung zu prüfen bleibt, ob der Mieter seine Miete aufgrund einer unverschuldeten finanziellen Notlage schuldig geblieben war. Es bleibt ferner dabei, dass sich der Vermieter auf eine ordentliche Kündigung nicht berufen kann, wenn dies treuwidrig wäre. Vor allem habe der Bundestag einem 2016 erfolgten Versuch, eine Schonfristzahlung auch für ordentliche Kündigungen einzuführen, eine Absage erteilt.

BGH, Urteil vom 13.10.2021, Aktenzeichen VIII ZR 91/20

12.10.2021: Bundesgerichtshof: Fristlose Kündigung wegen Lügen im Berufungsverfahren

Der Mieter, der vor Gericht nachweislich bewusst die Unwahrheit sagt, kann schon deshalb gekündigt werden, gegebenenfalls auch fristlos. Hatte der Vermieter ihn aus anderen Gründen ohnehin schon auf Räumung verklagt, so kann er im Anschluss an den falschen Prozessvortrag die laufende Klage auf die neuen Kündigungsgründe umstellen, sofern ein gewisser Sachzusammenhang besteht.

BGH, Beschluss vom 12.10.2021, Aktenzeichen VIII ZR 91/20

23.09.2021: Bundesgerichtshof: Keine Zwangshaft gegen prozessunfähige Schuldner

Die Zwangsvollstreckung sieht dort, wo der Schuldner nur persönlich tätig werden kann, insbesondere wenn Auskünfte zu erteilen sind, die sonst niemand geben kann, als Zwangsmittel gegen den Schuldner das Zwangsgeld und die Zwangshaft vor. Ist der Schuldner aber dement oder sonstwie prozessunfähig, so stellt sich seit längerem schon die Frage, wie gegen einen solchen Schuldner vorgegangen werden kann. Falls er einen Bevollmächtigten hat, wie meist in solchen Situationen: ist dann das Zwangsgeld gegen den Schuldner festzusetzen oder gegen den Bevollmächtigten? Und die Zwangshaft? Der BGH hat nun entschieden, dass das Zwangsgeld gegen den Schuldner zu verhängen ist, und dass Zwangshaft gegen beide nicht zulässig ist. Anders sei es bei einem Betreuer, der kein rechtsgeschäftlich bestellter, sondern ein gesetzlicher Vertreter ist. Das erscheint aber nicht als überzeugend: die Vorsorgevollmacht soll ja gerade der Betreuung möglichst gleichstehen und diese ersparen. Folgt man dem BGH, muss allein zu dem Zweck der Vollstreckung ein Betreuer bestellt werden.

BGH, Urteil vom 23.09.2021, Aktenzeichen I ZB 20/21

23.08.2021: Oberlandesgericht München: Kein Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Belege

Anders als der Ehegatte im Zugewinnausgleichsverfahren hat der Pflichtteilsberechtigte nur einen Anspruch auf Auskunft, also auf Darlegung der Aktiva und Passiva des Nachlasses, aber keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen. Es gibt ferner keinen Anspruch auf Auskunft darüber, wem der Erblasser Kontovollmacht erteilt hatte.

OLG München, Urteil vom 23.08.2021, Aktenzeichen 33 U 325/21

23.08.2021: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Überleitung eines Rückforderungsanspruchs aus einer anlässlich einer Erbauseinandersetzung vorgenommenen Schenkung

Wie mittlerweile weithin bekannt, kann der Sozialhilfeträger, wenn er jemandem Leistungen erbringt, Schenkungen zurückfordern, die der Leistungsempfänger früher einmal einem Dritten – meist einem jüngeren Familienmitglied – gemacht hat. Typischer Fall ist der eines alten Menschen, der einem Kind oder einem Enkel eine Immobilie überträgt und dann anschließend ins Heim muss, dessen Kosten seine finanziellen Möglichkeiten übersteigen. Der Sozialhilfeträger, der dann die Heimkosten (soweit nicht von der Rente gedeckt) übernehmen muss, wendet sich nach einiger Zeit an die Person, die die Immobilie geschenkt bekam.  Der Sozialhilfeträger muss in einem solchen Fall in zwei Schritten vorgehen: zunächst muss er die Ansprüche des Leistungsempfängers gegen den Beschenkten auf sich überleiten. Denn der Sozialhilfeträger hat ja keine eigenen Ansprüche gegen den Beschenkten. Nur der Schenker, der jetzt Leistungen bezieht, hat Ansprüche gegen den Beschenkten – entweder auf Rückforderung des Geschenks wegen Verarmung (§ 528 BGB) oder auf Unterhalt. Erst wenn die Ansprüche übergeleitet sind, kann der Sozialhilfeträger sie – in einem zweiten Schritt – gegen den Beschenkten (oder den Unterhaltspflichtigen) geltend machen. Die Rechtmäßigkeit der Überleitung ist vom Sozialgericht zu entscheiden; ob ein Rückforderungsanspruch wegen des Geschenks besteht, ist vor dem Zivilgericht zu klären.
Hier hatte das Landessozialgericht naturgemäß nur über die Überleitung zu entscheiden. Das Ergebnis ist nicht überraschend. Überleiten kann der Sozialhilfeträger auch Rückforderungsansprüche aus Schenkungen oder gemischten Schenkungen, die im Rahmen einer Erbauseinandersetzung vorgenommen wurden. Abfindungen oder Gegenleistungen, die der Beschenkte dort versprochen hat, mindern nur den Wert seines Geschenks, ändern aber nichts am Überleitungsrecht. Ausgeschlossen wäre die Überleitung nur, wenn evident wäre, dass der übergeleitete Anspruch nicht existiert, sog. Negativevidenz. Sogar verjährte Rückforderungsansprüche könnten übergeleitet werden.
Wohin es dann führt, wenn der Sozialhilfeträger in einem zweiten Schritt das “Geschenk” zurückfordert, welches mit Abfindungen und Gegenleistungen garniert war, hatte das Landessozialgericht nicht zu entscheiden. Spannend scheint dabei vor allem die Frage, ob eine Immobilie, die aus einer Erbengemeinschaft kam, die durch Vertrag mit dem Beschenkten auseinandergesetzt – also beendet – worden war – wieder in die Hand der – nun wieder zum Leben erweckten? – Erbengemeinschaft zurückkehrt.

LSG NrW, Urteil vom 23.08.2021, Aktenzeichen L 20 SO 20/20

https://openjur.de/u/2364433.html

13.07.2021: Oberlandesgericht Hamm: Der Notar kann die Geschäftsfähigkeit des Testierenden nicht beurteilen.

Die Formulierung, die viele Notare ihren Beurkundungen voranstellen: sie hätten sich von der Geschäftsfähigkeit des Erschienenen überzeugt, ist ohne Belang. Ob ein Testierender noch geschäftsfähig ist, kann nur der Psychiater beantworten. Aussagen medizinischer Laien, und dazu zählen auch Notare, sind nur insoweit von (erheblicher) Bedeutung, als sie tatsächliches Verhalten des Testierenden beschreiben.

OLG Hamm, Urteil vom 13.07.21, Aktenzeichen 10 U 5/20

28.06.2021: Oberlandesgericht Köln: Widerruf der transmortalen Vollmacht durch einen der Miterben; Nachlasspflegschaft?

Vorsorgevollmachten werden heute meist in der Weise erteilt, dass sie auch nach dem Tod des Vollmachtgebers noch gültig bleiben. Aber so, wie der Vollmachtgeber selbst seine Vollmacht jederzeit widerrufen kann (sofern er noch geschäftsfähig ist), so können nach seinem Tod seine Erben die Vollmacht widerrufen. Dies geschieht auch nicht selten. Denn ohne einen solchen Widerruf haben der oder die Erben meistens keinen Überblick über die Nachlassangelegenheit. Sie bleiben sonst auf den guten Willen des Bevollmächtigten angewiesen, Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zu kopieren. Nach nicht restlos geklärter überwiegender Ansicht in der Praxis kann jeder Miterbe die Vollmacht auch ohne Zustimmung der übrigen Miterben widerrufen. Nach einem solchen teilweisen Widerruf haben der Bevollmächtigte und der Miterbe, der widerrufen hatte, zusammen zu entscheiden, wenn über den Nachlass verfügt werden soll. Das heißt, der Widerrufende, der dem Bevollmächtigten nicht traut, muss künftig trotz des Widerrufs mit diesem zusammenarbeiten. Er mag sich wünschen, dass in einer solchen Lage das Gericht einen Nachlasspfleger einsetzt, der möglichst neutral agiert. Das Oberlandesgericht Köln hat allerdings entschieden, dass in dieser Lage das Nachlassgericht keinen Nachlasspfleger einsetzen muss – auch dann nicht, wenn für einen Bruchteil des Nachlasses noch unklar ist, wer sein Erbe ist. Denn Maßnahmen zur Erhaltung des Nachlasses könnte jeder Erbe ohnehin allein vornehmen, und die übrigen Verwaltungsmaßnahmen dürften mit Mehrheit getroffen werden, so dass es wegen des einen noch umstrittenen Erbteils keines Pflegers bedürfe.

OLG Köln, Beschluss vom 28.06.21, Aktenzeichen 2 Wx 184/21

16.06.2021: Bundesgerichtshof: Zur Vorsorgevollmacht trotz Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit

Die Vorsorgevollmacht dient dazu, für den Fall vorzusorgen, dass eine rechtliche Betreuung eingerichtet werden müsste. Also für den Fall, dass der Betreffende seine rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr selbständig regeln kann. Das Gesetz privilegiert die Vorsorgevollmacht: liegt eine Vollmacht vor, darf keine Betreuung mehr eingerichtet werden. Der BGH stellt nun klar, dass dieser Grundsatz auch in dem (nicht seltenen) Fall gilt, in welchem zweifelhaft ist, ob der Sorgebedürftige noch geschäftsfähig war, als er die Vollmacht erteilte. Ebenso klar bleibt weiterhin: war der Sorgebedürftige zur Zeit der Erteilung der Vollmacht nachgewiesenermaßen schon nicht mehr geschäftsfähig, so ist die Vollmacht ungültig und eine Betreuung nötig.

BGH, Beschluss vom 16.06.21, Aktenzeichen XII ZB 554/20

26.05.2021: Bundesgerichtshof: keine überspannten Anforderungen an die Indexmiete

Mietvertragsparteien können die Miete an die Entwicklung des Lebenshaltungskostenindexes in Deutschland koppeln, § 557b BGB. Mieterhöhungen sind dann ohne Rücksicht auf die Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmiete möglich, aber eben gebunden an den Lebenshaltungskostenindex, welcher zuletzt meist niedriger lag als die Steigerungen bei der ortsüblichen Vergleichsmiete. Unklar war bislang, welche Details ein Mietvertrag enthalten musste, damit eine Indexmiete wirksam vereinbart war. Der BGH hat nun entschieden, dass der Mietvertrag kein “Basisjahr” für die Indexierung nennen muss. Zwar veröffentlicht destatis die Änderungen des Lebenshaltungskostenindexes immer bezogen auf ein bestimmtes Basisjahr. Die Nennung dieses Basisjahres im Mietvertrag ist aber verzichtbar; ja, sie ist sogar gar nicht sinnvoll. Denn anders als beim Staffelmietvertrag ist eine im voraus – auf Basis des Mietvertrags – berechenbare Erhöhung der Miete gar nicht Ziel des Indexmietvertrags. Vielmehr bestimmt der Vermieter selbst, wann er eine Erhöhung geltend machen will; und dann gilt der Index auf derjenigen Basis, die aktuell Verwendung findet. Ein älteres, im Mietvertrag genanntes Basisjahr müsste dann erst angepasst werden, da sich die Indexierungen auf Basis verschiedener Basisjahre nicht vergleichen und nicht umrechnen lassen. Ferner hat der BGH entschieden, dass auch der Beginn der “Wartefrist” (Mieterhöhungen können maximal einmal pro Jahr verlangt werden) nicht im Mietvertrag erläutert werden muss. Der Vermieter muss bloß, wenn er die Miete erhöht, die Wartefrist beachten. Enthält der Indexvertrag die Klausel, wonach die Änderung der Miethöhe nur verlangt werden kann, wenn sich der Index seit der letzten Änderung um mindestens 3% verschoben hat, so bedeutet das nicht, dass nach längerem Zuwarten des Vermieters die Mieterhöhung sozusagen in “3%-Schritten” vorgenommen wird. Vielmehr entspricht die Mieterhöhung prozentual immer genau der Index-Erhöhung, egal wie lange der Vermieter mit seiner Erhöhungsforderung zuwartet.
Übrigens erlaubte die Indexmiete auch eine Absenkung des Mietniveaus für den Fall, dass das Niveau der Verbraucherpreise sinkt. Das ist derzeit allerdings eine eher theoretische Erwägung.

BGH, Urteil vom 26.05.2021, Aktenzeichen VIII ZR 42/20

25.05.2021 / 03.02.21 Landgericht Berlin und Bundesgerichtshof: “tiefe Verwurzelung” des betagten Mieters als Grund für Kündigungswiderspruch

Dass ein Mieter alt und am Ort tief verwurzelt ist, war bisher für sich genommen kein hinreichender Grund, einer Eigenbedarfskündigung zu widersprechen. Es musste immer noch eine Bewertung der Gesundheit des Mieters hinzu treten. Das hat der BGH nun geändert. Allein die Verwurzelung am Ort (die Mieter waren 80 und 90 Jahre alt und wohnten seit 24 Jahren in der Wohnung) könne Grund für die Mieter sein, der Kündigung zu widersprechen. Vorliegend spielte bei der “Verwurzelung” eine erhebliche Rolle, dass die Mieter in nächster Nähe einkaufen konnten und auch die meisten Ärzte der Mieter in fußläufiger Entfernung zur Mietwohnung praktizierten. Andererseits bleibt erstaunlich, dass es das Gericht bereits als “tiefe Verwurzelung” über “soziale Kontakte” gewertet hat, dass die Mieter miteinander in der Wohnung gelebt haben “und auch kein derart zurückgezogenes Leben geführt (haben), das ihnen den Aufbau sozialer Bindungen am Ort der Mietsache verwehrt hätte.” Also im Klartext: der Nachweis von Kontakten ist nicht nötig, solange der Lebenswandel die Bildung von Kontakten nicht geradezu ausschloss. Noch merkwürdiger erscheint, dass auch der Umstand, dass viele Nachbarn die Mieter im Auftrag der Vermieterin “observiert” hätten, als Zeichen für ihre sozialen Kontakte im Haus gewertet wurde. Erklären lässt sich dies alles wohl nur in diesem Einzelfall aus dem ebenfalls mitgeteilten Umstand, dass die Mieter 1991 als Opfer der NS-Herrschaft nach D übergesiedelt seien, also mutmaßlich als Juden aus der Sowjetunion. Das Gericht hat in diesem Fall nur äußerlich an dem schon früher geprägten Merkmal der “tiefen Verwurzelung” angedockt, in Wahrheit aber den von Verfolgung und Heimatverlust gezeichneten Menschen ein Minimum an Verwurzelung ermöglichen und einen weiteren Wohnortwechsel ersparen wollen. Zu verallgemeinern ist diese Entscheidung wohl nicht.

BGH, Urteil vom 03.02.2021, Aktenzeichen VIII ZR 68/19
LG Berlin, Urteil vom 25.05.2021, Aktenzeichen 67 S 345/18

15.04.2021: Bundesverfassungsgericht: Berliner “Mietendeckel” ist verfassungswidrig

Die Regelung des Berliner Abgeordnetenhauses, wonach die Erhöhung der Bestandsmieten ab 2019 für fünf Jahre ausgeschlossen ist und auch für Neuvermietungen bestimmte Grenzen festgesetzt werden, widerspricht dem Grundgesetz. Dabei geht es nicht um inhaltliche Fragen, sondern allein darum, ob für derartige Gesetze der Bund zuständig ist (und damit der Deutsche Bundestag) oder aber die Länder (und damit zum Beispiel auch das Abgeordnetenhaus in Berlin). Das Mietrecht zählt zur “konkurrierenden Gesetzgebung” (Artikel 72 Grundgesetz). Das bedeutet: Die Länder können den Gegenstand regeln, wenn es der Bund nicht tut. Vorliegend aber hat der Bund von jeher Vorschriften erlassen, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang eine Miete erhöht werden darf oder nicht (§§ 557ff. BGB). Auch die Grenzen von Neumieten sind bereits bundesrechtlich geregelt (§§ 556d ff. BGB). Hier ist also kein Platz mehr für landesgesetzliche Regelungen. Trotzdem von den Ländern beschlossene “Mietendeckel” verstoßen daher gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes.
Für den südbadischen Raum hat die Entscheidung keine Bedeutung: der Landtag von Baden-Württemberg hat keine dem “Mietendeckel” vergleichbare Regelung getroffen.

BVerfG, Beschluss vom 15.04.2021, Aktenzeichen 2 BvF 1/20; 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20

03.02.2021: Landgericht München I: keine Mieterhöhung ohne Rücksicht auf die gesetzlich vorgesehenen Varianten

Der Vermieter kann die Miete im Einvernehmen mit dem Mieter erhöhen, § 557 BGB. Dazu bedarf es keiner Formalien. Die Mieterhöhung kommt sogar dann zustande, wenn der Vermieter nur den Vorschlag einer Mieterhöhung macht und der Mieter daraufhin die höhere Summe zahlt. Der Vermieter kann – und das ist der Regelfall – sich auf sein gesetzliches Recht stützen, die Miete durch begründetes Schreiben bis zur ortsüblichen Miete zu erhöhen. Er muss sich dann auf einen Mietspiegel berufen, Vergleichsmieten nennen oder ein Gutachten beifügen. Der Mieter ist dann verpflichtet, zuzustimmen. Nicht dagegen funktioniert eine Vermischung beider Varianten: der Vermieter behauptet in einem nicht näher begründeten Schreiben das Recht, Mieterhöhung verlangen zu können. Stimmt in diesem Fall der Mieter zu, so kommt keine Mieterhöhung zustande. Denn die freiwillige Erhöhung setzt ein Angebot des Vermieters voraus, und ein Angebot kann man in freier Entscheidung annehmen oder ablehnen. Fordert der Vermieter dagegen eine Mieterhöhung unter Berufung auf eine angebliche Zustimmungspflicht des Mieters, liegt kein Angebot vor, und so kann der Mieter auch keines annehmen.
Selbst wenn der Mieter in diesem Fall die geforderte Miete zahlt, kommt keine Mieterhöhung zustande. Der Mieter kann in dem Fall die zuviel gezahlten Mieten zurückverlangen. Er kann sie nur dann nicht zurückverlangen, wenn er  ausnahmsweise davon wusste, dass seine Zustimmung eigentlich unwirksam war.

LG München I, Urteil vom 03.02.2021, Aktenzeichen 14 S 11480/20

18.12.2020: Bundesgerichtshof: Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in der WEG nach Rohrbruch

Im Verhältnis zweier benachbarter Grundeigentümer gibt es nicht nur Schadensersatzansprüche, sondern auch Ausgleichsansprüche, die kein Verschulden voraussetzen (“nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch”). Dasselbe gilt auch zwischen Wohnungseigentümern, insbesondere zwischen demjenigen einer unten und dem einer darüber liegenden Wohnung. Im Falle eines Rohrbruchs in der oberen Wohnung haftet der Eigentümer der oberen Wohnung in der Regel auch ohne eigenes Verschulden für den Wasserschaden beim Unterlieger. Im vorliegenden Fall macht der BGH eine wichtige Einschränkung für den Fall, dass die obere Wohnung vermietet ist. Denn hier ist die Verantwortung für den Zustand der Wohnung zwischen Vermieter und Mieter aufgeteilt. Liegt die Ursache für den Rohrbruch allein darin, dass der Mieter (hier bei minus 20°C) nicht geheizt hat, so entfällt die Haftung des Vermieters, und der Mieter ist dem Unterlieger allein für den Schaden verantwortlich.

BGH, Urteil vom 18.12.2020, Aktenzeichen V ZR 193/19

07.10.2020: Bundesgerichtshof: Kostenerstattung unter Miterben im Streitfall (GoA)

Oft können sich Miterben nicht einigen, wie sie den Nachlass verwalten, bevor er geteilt wird. Im vorliegenden Fall konnten sie sich nicht einmal darüber einigen, einen gemeinschaftlichen Erbschein zu beantragen, obwohl sich ein Grundstück im Nachlass befand und sie ohne Erbschein dieses Grundstück nicht auf sich umschreiben konnten.
Also hat eine der Erbinnen den Erbschein gegen den Willen der anderen beantragt – und auch bekommen. Allerdings forderte sie später anteilige Erstattung der ihr entstandenen Kosten. Das Erbrecht gibt ihr hier kein Recht auf Kostenerstattung, da sie die Regularien der Nachlassverwaltung nicht eingehalten hatte. Sie hatte weder die absolute Mehrheit der Erbteile (dann hätte sie sich über die anderen hinwegsetzen können) noch lag ein Notfall vor (dann hätte sie anstelle aller handeln dürfen). Sie hätte also ohne die Zustimmung der anderen, oder jedenfalls einer Mehrheit aller, nicht handeln dürfen.
Allerdings erklärt der BGH nun, theoretisch komme eine Kostenerstattung außerhalb des Erbrechts in Betracht, falls den Miterben dadurch eine Bereicherung zuwuchs. In solchen Fällen, einer sogenannten unberechtigten GoA (Geschäftsführung ohne Auftrag) könne es auch unter Miterben zu einer Pflicht zur Ausgleichung von Lasten kommen (falls eben eine Bereicherung der Miterben vorliegt). Dies hat der BGH hier allerdings – ebenso überraschend – verneint, obwohl der Erbschein natürlich eine Bereicherung der Miterben darstellt. Ohne ihn wären sie dauerhaft gehindert gewesen, das Grundstück auf alle Erben umzuschreiben..
Eine Entscheidung, die eher Ratlosigkeit hinterlässt.

BGH, Urteil vom 07.10.2020, Aktenzeichen IV ZR 69/20

25.09.2020: Bundesgerichtshof: keine Kostenerstattung vom Miteigentümer

Hat ein Wohnungseigentümer Rechnungen bezahlt, die die WEG betreffen,  kann er von seinen Miteigentümern keine Kosten erstattet verlangen. Das galt schon immer, wenn es um Wohnungseigentümergemeinschaften mit drei oder mehr Mitgliedern ging. Der BGH hat aber nun entschieden, dass dies auch gilt, wenn die WEG nur aus zwei Mitgliedern besteht und jeder von beiden in der Eigentümerversammlung eine Stimme hat (“Pattsituation”).  Wenn also der eine Miteigentümer beispielsweise Heizöl gekauft hat oder das Dach repariert hat, kann er die ausgelegten Kosten nur von der WEG erstattet verlangen. Hat die WEG kein Konto, wie so oft bei verwalterlosen Zweier-WEG, oder ist dieses leer, so  ist der Eigentümer gezwungen, zunächst eine Beschlussersetzungsklage gegen die WEG zu führen – auf Ersetzung eines Beschlusses, wonach die Eigentümer (beide) Geld auf das WEG-Konto einzuzahlen haben. Sodann muss er erwirken, dass die Kosten, die nun von der WEG bezahlt werden können, auf den säumigen Miteigentümer umgelegt werden: Gemäß Heizkostenverordnung, wenn es um Heizöl ging, oder gemäß Miteigentumsanteilen, wenn es um eine Dachreparatur ging.

BGH, Urteil vom 25.09.2020, Aktenzeichen V ZR 288/19. Vgl. schon Urteil vom – V ZR 279/17

23.09.2020: Bundesgerichtshof: Bauteilöffnung ist kein Anerkenntnis

Führt der Vermieter auf eine Mängelrüge des Mieters hin eine Untersuchung des Mietobjekts durch, so anerkennt er damit keineswegs, dass ein Mangel der Mietsache bestehe oder er dafür verantwortlich sei. Das gilt nach dieser neuen Entscheidung des BGH auch dann, wenn der Vermieter einen Versorgungsschacht öffnen lässt.
Je nach Einzelfall bleibt es dennoch denkbar, dass eine Bauteilsuntersuchung durch den Vermieter ein “tatsächliches Anerkenntnis” darstellt. Dazu bedarf es aber schon gravierenderer Anzeichen als nur einer schlichten Bauteilsöffnung, die schon durch das eigene Interesse des Vermieters an der Entdeckung möglicher weitergehender Schäden gerechtfertigt erscheint.

BGH, Urteil vom 23.09.2020, Aktenzeichen XII ZR 86/18

25.08.2020: Bundesgerichtshof: Zur Abmahnung vor der ordentlichen Kündigung

Vor der ordentlichen, also fristgebundenen Kündigung ist eine Abmahnung grundsätzlich nicht erforderlich. Eine trotzdem ausgesprochene Abmahnung kann aber, wenn sie ignoriert wird, dazu führen, dass ein Gericht den der Kündigung zugrunde liegenden Vorgang für gravierender erachtet, als das ohne Abmahnung der Fall gewesen wäre. Denn nicht jeder Vorgang, der als Vertragsverstoß zu qualifizieren ist, erlaubt auch schon gleich eine Kündigung. Vielmehr besteht für den Vermieter die Kündigungsmöglichkeit nur, wenn der Mieter seine Pflichten “nicht unerheblich verletzt”.
Ist also der in Rede stehende Vertragsverstoß von eher untergeordneter Bedeutung, so dass fraglich ist, ob der Verstoß überhaupt zur Kündigung berechtigt, so sollte der Vermieter vor der Kündigung abmahnen.

BGH, Beschluss vom 25.08.2020, Aktenzeichen VIII ZR 59/20

15.08.2020: Bundesgerichtshof: Kündigung einer Mieterin wegen Beleidigung eines anderen Mieters durch ihren Besucher

Einer Mieterin kann auch dann gekündigt werden, wenn zuvor der Hausfrieden durch einen ihrer Besucher, hier den Lebensgefährten der Mieterin, gestört worden war. Der Besucher hatte – nach schon vorangegangenen Auseinandersetzungen – den fremden Mieter als “Arschloch” bezeichnet. Hält sich der Besucher mit Zustimmung der Mieterin bei ihr auf, hat sie sich sein Fehlverhalten zurechnen zu lassen – bis hin zur Kündigung.
Einer vorherigen Abmahnung bedarf es dabei für eine ordentliche Kündigung im Grundsatz nicht. Dass eine Abmahnung trotzdem erfolgt war, kann aber mit dazu beitragen, das Fehlverhalten des Besuchers als so gravierend einzustufen, dass eine Kündigung möglich ist.

BGH, Beschluss vom 15.08.2020, Aktenzeichen VIII ZR 59/20

21.07.2020: Oberlandesgericht Karlsruhe: Überfahrtsrecht auch zugunsten des Mieters

Wegerechte, teilweise auch als Überfahrtsrechte bezeichnet, werden im Grundbuch in aller Regel zugunsten des “jeweiligen Eigentümers” des Nachbargrundstücks eingetragen. Das wirft, wenn der “jeweilige Eigentümer” einen Mieter hat, die Frage auf, ob auch der Mieter von diesem Überfahrtsrecht profitiert. Ja, sagt das Oberlandesgericht Karlsruhe: wenn aus der Urkunde, in der das Überfahrtsrecht formuliert ist, nichts Gegenteiliges ersichtlich ist, kann das Recht auch von Mieter, Pächtern, Kunden, Zulieferern des Eigentümers ausgeübt werden.  Diese üben dann zwar kein eigenes Recht aus, können aber vom Eigentümer des überfahrenen Grundstücks nicht abgewiesen werden.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.07.2020, Aktenzeichen 12 U 34/20

08.07.2020: Bundesgerichtshof: neue Quoten bei Schönheitsreparaturen.

Am 18.03.2015 hatte der BGH entschieden, dass Quotenabgeltungsklauseln in Mietverträgen unwirksam sind, weil der Mieter bei Vertragsabschluss nicht erkennen kann, welche Kosten hier auf ihn zukommen werden. Nun lag dem BGH eine Konstellation vor, in welcher der Mieter lt. Vertrag die Schönheitsreparaturen auszuführen hätte, aber diese Vereinbarung unwirksam war, weil die Wohnung unrenoviert übergeben worden war. Nun hatte der Mieter viele Jahre nach Einzug Kostenvorschuss vom Vermieter verlangt, um auf dessen Kosten (endlich) Schönheitsreparaturen durchführen zu können. Eigentlich war die Klage abzuweisen – und die ersten beiden Instanzen hatten das auch getan – weil eine Schönheitsreparatur auf Kosten des Vermieters dem Mieter statt der vertraglich geschuldeten unrenovierten nun eine renovierte Wohnung gegeben hätte. Der BGH hat sich aber eines anderen besonnen: die Renovierung sei sehr wohl von dem Vermieter geschuldet, da die Wohnung über die vielen Jahre der Mietzeit deutlich unter das vertragliche Niveau hinaus abgewohnt worden sei. Nur seien die Mieter an den Kosten der Renovierung zu beteiligen. Mit welcher Quote sie sich beteiligen müssen, sei eine Frage des Einzelfalls, und hier wird es noch viel Streit geben.

BGH, Urteil vom 08.07.2020, Aktenzeichen VIII ZR 163/18; vgl. auch VIII ZR 270/18 vom selben Tag

01.07.2020: Steinen fällt aus der Mietpreisbremse heraus

Gemäß der Neuregelung der Mietpreisbremse in Baden-Württemberg, Verordnung v. 16.06.2020, welche heute in Kraft tritt, gilt Steinen nicht mehr als Gemeinde, in der die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnraum gefährdet ist. In Steinen kann somit ab sofort die Miete wieder um bis zu 20% erhöht werden – wie bisher schon in Maulburg, Schopfheim, Hausen, Zell, Hasel und Wehr. Für Lörrach, Rheinfelden, Grenzach-Wyhlen, Weil am Rhein und Kandern dagegen bleibt es bei der Kappungsgrenze von 15%.

Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung der Gebiete mit abgesenkter Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen vom 16.06.2020

26.06.2020: Bundesgerichtshof: Kostenverteilung in der Mehrhausanlage im Falle der Sanierung von Baumängeln

Bestimmt die Teilungserklärung einer Mehrhausanlage, dass auch die Kosten “späterer Instandsetzungsmaßnahmen” nur von den Eigentümern des betroffenen Hauses zu tragen sind, so gilt das auch für Kosten für die erstmalige mangelfreie Herstellung des Objekts, wenn diese nur zeitlich von der Errichtung der Gebäude abgerückt entstehen. Denn ob ein Sanierungsfall auf einem anfänglichen Baumangel beruht oder nicht, lässt sich zu Beginn einer Sanierungsmaßnahme oft nicht feststellen.

BGH, Urteil vom 26.06.2020, Aktenzeichen V ZR 199/19

26.06.2020: Bundesgerichtshof: Trittschallschutz durch den einzelnen Wohnungseigentümer

Welcher Trittschallschutz einzuhalten ist, ergibt sich nicht aus der Ausstattung des Gebäudes zur Zeit seiner Errichtung, sondern aus der aktuellen DIN 4109. Verpflichtet zur Gewährleistung des Schallschutzes ist im Grundsatz die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Tauscht aber ein Wohnungseigentümer seinen Boden aus und stellt dabei fest, dass der vorhandene (zum Gemeinschaftseigentum gehörende) Trittschallschutz unzureichend oder schadhaft ist (was durch einen Teppichboden bloß bisher unbemerkt geblieben ist), so hat er den neuen Boden so zu verlegen, dass die DIN 4109 eingehalten wird: also erneut Teppichboden zu legen oder eine schalldämpfende Zwischenschicht zu legen.

BGH, Urteil vom 26.06.2020, Aktenzeichen V ZR 173/19

30.04.2020: Landgericht Wuppertal: Kein “Verbrauch” des abgemahnten Umstandes im Falle ordentlicher Kündigung

Einer fristlosen Kündigung wegen Hausfriedensstörung hat in der Regel eine Abmahnung vorauszugehen. Der Vermieter kann aber die Kündigung nicht wegen desselben Vorfalls aussprechen, den er schon abgemahnt hatte. Der Mieter soll ja durch die Abmahnung eine zweite Chance erhalten. Anders ist es aber im Falle der ordentlichen Kündigung. Diese setzt gar keine Abmahnung voraus. Der Vermieter kann also, wenn er die fristlose mit einer ordentlichen Kündigung kombiniert, zur Begründung der letzteren auch auf den abgemahnten Vorfall zurückgreifen.

LG Wuppertal, Urteil vom 30.04.2020, Aktenzeichen 9 S 208/19

27.11.2019: Bundesgerichtshof: wenigermiete.de darf in Mietsachen Klage erheben

Das Online-Portal “wenigermiete.de” fordert für Mieter im Inkasso-Weg zuviel gezahlte Miete zurück. Das verstoße nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz, wie jetzt der BGH feststellte. Eine gute Entscheidung aus Sicht des Verbraucherschutzes, denn ein Anwalt lohnt sich aufgrund der Struktur der Anwaltsgebühren eher bei größeren Streitpunkten. Der Rechtsdienstleistungsmarkt wird sich dadurch allerdings verändern: Standardsituationen werden künftig immer öfter von Dienstleistungsfirmen “LegalTech” angeboten, bzw. von deren KI – während Anwälte sich zunehmend auf die komplexen Fälle konzentrieren werden.

BGH, Urteil vom 27.11.2019, Aktenzeichen VIII ZR 285/18

20.08.2019: Bundesverfassungsgericht: Mietpreisbremse von 2015 ist nicht verfassungswidrig.

Die Begrenzung der möglichen Mieterhöhung auf 10% in bestimmten Gebieten mit angespanntem Markt sei nicht unverhältnismäßig, um alteingesesene Mieter zu schützen. Jedenfalls seien die Verfassungsbeschwerden nicht hinreichend gut begründet, weshalb die Beschwerden ohne nähere Prüfung in der Sache zurückgewiesen würden.

BVerfG, Beschluss vom 20.08.2019, Aktenzeichen: 1 BvR 1595/18, 1 BvL 1/18 und 1 BvL 4/18

24.07.2019: Bundesgerichtshof: Aufrechnung des Mieters mit seinem Kautionsrückzahlungsanspruch

Macht der Vermieter nach Ende des Mietverhältnisses Ansprüche gegen den Mieter geltend, wird er in aller Regel zeitgleich über die Kaution abrechnen – also die erhaltene Kaution samt Zinsen von seinen Ansprüchen abziehen. Hier hatte der Vermieter aber lediglich Klage auf Zahlung bestimmter Posten erhoben, die der Mieter ihm schulde; über die Kaution hatte er in diesem Zusammenhang kein Wort verloren. Später machte der Vermieter weitere Ansprüche geltend, nämlich auf Zahlung noch offener Nebenkosten. Der Mieter hat gegen letzteren Posten mit seinem Anspruch auf Rückgewähr der Kaution aufgerechnet. Der BGH sagt, dass er dies mit Recht tat: eigentlich ist es dem Mieter verwehrt, mit dem Rückgewähranspruch aufzurechnen; denn dieser wird erst fällig, wenn der Vermieter über die Kaution abrechnet – also mitteilt, dass er keine weiteren Ansprüche gegen den Mieter hat. Der BGH hat hier aber bereits in der Klageerhebung eine Art von Kautionsabrechnung gesehen: der Vermieter hätte damit erklärt, diese und keine weiteren Ansprüche gegen den Mieter zu haben. Jetzt habe der Mieter aufrechnen können.
All dies ist im Grunde wenig interessant, denn ob nun der Mieter aufrechnet oder der Vermieter, ist in den meisten Fällen gleichgültig. Interessanter ist, dass der BGH nebenbei erklärt, dass der Vermieter auch insoweit die Aufrechnung erklären kann, als der Mieter die Forderung des Vermieters für unbegründet hält: allein das Gericht entscheide am Ende, ob der Mieter durch diese Aufrechnung sein Kautionsguthaben verloren hat oder nicht. Neueren Bestrebungen, die dem Mieter das Recht gaben, einer Aufrechnung zu widersprechen – mit der Folge, dass der Vermieter strittige Forderungen vor Gericht einklagen musste statt sich einfach aus der Kaution zu bedienen – hat der BGH damit eine Absage erteilt.

BGH, Urteil vom 24.07.2019, Aktenzeichen VIII ZR 141/17

05.07.2019: Bundesgerichtshof: Fragwürdige Klauseln im Verwaltervertrag sind nicht im Beschlussanfechtungsverfahren zu prüfen.

Beanstandet ein Wohnungseigentümer spezielle Klauseln im “Kleingedruckten” eines soeben neu oder wieder bestellten Verwalters, so hat die Kontrolle der Klauseln nach den §§ 305 ff BGB (AGB-rechtliche Kontrolle) wie üblich als Vertragskontrolle zu erfolgen – und damit in einem Verfahren zwischen WEG und Verwalter – nicht aber als Kontrolle des Beschlusses der Wohnungseigentümer, einen bestimmten Verwalter zu wählen und einen Eigentümer (oder Beirat) mit dem Abschluss eines Verwaltervertrags zu beauftragen. Das bedeutet, dass die Verwalterwahl auch dann gültig ist, wenn der Vertrag, den der Verwalter vorlegt, unwirksame Klauseln enthält. Es bedeutet auch, dass ein Beschluss, mit dem ein Eigentümer oder Beirat mit einer Vertragsunterzeichnung beauftragt wird, ebenfalls gültig ist – auch dann, wenn der Vertrag im Detail unwirksame Klauseln enthält. Anderenfalls müsste der unterzeichnende Eigentümer oder Beirat vor der Unterzeichnung erst einmal Rechtsrat einholen, und selbst dieser Rechtsrat schüfe keine Rechtssicherheit.
Im Beschlussanfechtungsverfahren ist aber durchaus zu prüfen, ob die Festlegungen zum Verwaltervertrag, die bereits im Beschluss der Eigentümer getroffen waren, ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Hierzu erklärt der BGH, dass keinesfalls nur Pauschalvergütungssysteme ordnungsmäßig sein können, sondern auch Vergütungssysteme, nach denen sich das Honorar des Verwalters aus verschiedenen Bestandteilen zusammensetzt. Ein solches “Baukastensystem” der Vergütung muss aber transparent, also durchschaubar sein, und es darf nicht insgesamt zu unverhältnismäßigen Kosten führen.

BGH, Urteil vom 05.07.2019, Aktenzeichen V ZR 278/17

14.06.2019: Bundesgerichtshof: Keine Kostenerstattung für eigenmächtigen Tausch der Fenster.

Alte Teilungserklärungen enthalten nicht selten die Vorschrift, wonach die Fenster Sondereigentum sind. Das ist nach dem Gesetz gar möglich; Fenster sind zwingend Gemeinschaftseigentum. Manche Teilungserklärungen regeln lediglich, dass die Kosten neuer Fenster von der jeweils begünstigten Partei zu tragen sind (und nicht auf alle Eigentümer umzulegen sind). Das ändert aber nichts daran, dass die Maßnahme als solche Angelegenheit aller Wohnungseigentümer ist und die WEG daher zunächst einen Beschluss über den Austausch der Fenster fassen muss. Nur die Kosten der Maßnahme sind auf den jeweiligen Eigentümer umzulegen. Trotzdem kommt es vor, dass die jeweiligen Eigentümer den Beschluss der WEG nicht abwarten, sondern eigenmächtig einen Glaser beauftragen – und sodann Kostenerstattung seitens der WEG erwarten. Bisher hat der BGH geurteilt, dass eine solche Kostenerstattung verlangt werden kann, wenn die Fenster ohnehin hätten ausgetauscht werden müssen (vgl. Urteil v. 25.09.2015). Nun hat er seine frühere Rechtsprechung aufgegeben. Der eigenmächtig Handelnde kann nun in keinem Fall Kostenerstattung erwarten. Die WEG kann sogar beschließen, dass die Baumaßnahme rückgängig gemacht wird.

BGH, Urteil vom 14.06.2019, Aktenzeichen V ZR 254/17

22.5.2019: Bundesgerichtshof: Härte für den Mieter auch in Eigenbedarfsfällen prüfen!

Der Bundesgerichtshof hatte zuletzt in zwei Fällen Anlass, daran zu erinnern, dass die Prüfung einer Eigenbedarfskündigung aus zwei wesentlichen Teilen besteht: Es muss nicht nur der Eigenbedarf des Vermieters vorliegen – das heißt, ein ernsthaftes und auf nachvollziehbaren Gründen beruhendes Interesse, die Immobilie selbst oder durch Angehörige zu nutzen. Vielmehr muss sich – wenn der Mieter soziale Härten geltend macht – auch aufgrund einer Abwägung der Interessen zwischen Mieter und Vermieter ergeben, dass das Interesse des Vermieters an der Beendigung überwiegt. In dem einen entschiedenen Fall wohnte die 80-jährige Beklagte schon seit 1974 mit ihren zwei Söhnen in der Wohnung, die der Kläger soeben erst gekauft hatte, um selbst dort einzuziehen. Im anderen Fall wohnte dort zusammen mit seinem Bruder und dessen Frau auch ein schizophrener, alkoholkranker, dementer Mann mit Pflegestufe II. In beiden Fällen waren schwerwiegende gesundheitliche Nachteile für die jeweiligen Bewohner zu erwarten. In beiden Fällen waren die Landgerichte entweder gar nicht oder zu oberflächlich auf die Situation der Mieter eingegangen, weshalb der BGH die Räumungsurteile aufhob und die Fälle zur Neuverhandlung zurück verwies.

BGH, Urteile vom 22.05.2019, Aktenzeichen VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17

10.04.2019: Bundesgerichtshof: Keine Bindung einer Entscheidung über Zahlungsverzug für späteren Räumungsprozess. Kein Wegfall des Zurückbehaltungsrechts allein durch Erklärung des Vermieters, ein Mangel sei behoben.

Es kann sinnvoll sein, vor Durchführung eines Räumungsprozesses zunächst einmal gerichtlich klären zu lassen, wie hoch die Rückstände des Mieters nicht nur rechnerisch sind, sondern tatsächlich, nämlich unter Berücksichtigung seines Minderungsrechts. Hier ist aber Vorsicht geboten: Klagt der Vermieter einfach die aus seiner Sicht noch offenen Mieten ein, so lautet das Urteil allein auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme. Wieviel der Mieter zu einem bestimmten Zeitpunkt schuldig war, muss das Gericht dabei zwar auch ermitteln; die Entscheidung über diese Vorfrage wird aber nicht rechtskräftig. Es ist kann also sein, dass das Gericht im zweiten Prozess (Räumungsrechtsstreit) den Rückstand des Mieters anders berechnet und dann womöglich die sicher geglaubte Räumungsklage scheitert. Anders wäre es nur, wenn das erste Gericht den Verzug des Mieters zu einem bestimmten Zeitpunkt (dem der Kündigung) feststellt. Das muss dann das später über den Räumungsanspruch entscheidende Gericht als verbindlich hinnehmen.
Während der Behebung eines Mangels steht dem Mieter an der Miete ein Zurückbehaltungsrecht zu. Dieses hat den Sinn, den Vermieter zur Beseitigung – bzw. zur Fertigstellung – anzuhalten. Deshalb entfällt es auch, wenn es seinen Zweck nicht mehr erfüllen kann – etwa weil das Mietverhältnis beendet ist oder weil der Mieter die weitere Reparatur verweigert oder Handwerkern keinen Zutritt verschafft. Es entfällt aber nicht etwa deshalb, weil der Vermieter einen Mangel für beseitigt hält. Daraus könne man nicht den Schluss ziehen, dass der Vermieter jede weitere Mangelbeseitigung endgültig verweigert. Überzeugender erscheint eher, dass anderenfalls der Vermieter das Ende des Zurückbehaltungsrechts durch einfache Behauptung bewirken könnte, der Mangel sei beseitigt – auch wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist.

BGH, Urteil vom 10.04.2019, Aktenzeichen VIII ZR 39/18

21.03.2019: Landgericht Berlin: Prozessfortsetzung nach Doppelkündigung und Schonfristzahlung

Wie der BGH zuletzt am 19.09.2018 festgestellt hat (Aktenzeichen VIII ZR 261/17), kann der Vermieter seinem säumigen Mieter doppelt kündigen: fristlos, und zugleich “hilfsweise” ordentlich zum nächstmöglichen Kündigungstermin. Wenn der Mieter die fristlose Kündigung durch pünktliche “Schonfristzahlung” aus der Welt schafft (§ 569 Abs.3 Nr.2 BGB), bleibt die ordentliche Kündigung dennoch bestehen. Der Mieter kann nun nur noch in einem ungeklärten Rahmen vortragen, der Vermieter verstoße gegen “Treu und Glauben”, wenn er sich vor Gericht auf diese ordentliche Kündigung beruft. In der Praxis bedeutet das nun vielfach, dass das Amtsgericht der Räumungsklage statt gibt. Denn normalerweise wird es nicht gegen “Treu und Glauben” verstoßen, sich auf eine rechtswirksame Kündigung zu berufen. Das Landgericht Berlin tritt jetzt aber (wieder) auf die Bremse und erklärt, so einfach dürfe es sich das Amtsgericht nicht machen. Das amtsgerichtliche Räumungsurteil sei nur dann rechtmäßig, wenn der Amtsrichter vorher den Parteien erklärt habe, auf welche Gesichtspunkte es bei der Entscheidung über “Treu und Glauben” ankomme, und wenn die Parteien Gelegenheit hatten, sich dazu zu äußern. Wenn das künftig ernst genommen würde, gäbe es wiederum kaum ein Räumungsurteil mehr, das auf diese “hilfsweise ordentliche Kündigung” gestützt ist.

LG Berlin, Beschluss vom 21.03.2019, Aktenzeichen 66 S 90/17

Landgericht Stuttgart: Mietpreisbremse in Baden-Württemberg ungültig

Die Verordnung zur Umsetzung der (bundesrechtlichen) Mietpreisbremse, wonach in bestimmten Gebieten mit angespannter Wohnraumsituation bei Neuvermietungen maximal 10% aufgeschlagen werden dürfen, ist nach Überzeugung des LG Stuttgart mangels veröffentlichter Begründung unwirksam. Für die südbadischen Landgerichtsbezirke Freiburg und Waldshut liegen noch keine entsprechenden Urteile vor. Das Ministerium wird sich nun bemühen, möglichst bald eine rechtsgültige Veröffentlichung nachzuholen.

LG Stuttgart, Urteil vom 13.03.2019, Aktenzeichen 13 S 181/18

21.02.2019: Bundesgerichtshof: Beschlagnahme der Kaution in der Insolvenz des Mieters

Der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung seiner Kaution aus einem beendeten Mietverhältnis unterliegt der Verwertung durch den Insolvenzverwalter. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Mieter das Geld womöglich dringend für die Kaution in seinem neuen Mietverhältnis benötigt – oder zur Rückzahlung eines Darlehens, das der Mieter für eine solche neue Kaution aufgenommen hat.

BGH, Beschluss vom 21.02.2019, Aktenzeichen IX ZB 7/17

12.02.2019: Amtsgericht Hamburg-Altona: Rückzahlung der Kaution bei Vermieterwechsel

Zahlt der Vermieter, nachdem er seine Wohnung verkauft hat, aber bevor der Käufer im Grundbuch eingetragen wurde, an den Mieter zurück, so muss der Mieter lt. Meinung des Amtsgerichts Altona dem neuen Eigentümer keine Kaution mehr zahlen. Denn der alte Eigentümer ist bis zur Eintragung des neuen im Grundbuch noch Vermieter, und Abreden, die er mit dem Mieter trifft, gelten auch zu Lasten des künftigen Vermieters. Und – so jedenfalls die Auffassung des AG Altona – eine Rückgabe der Kaution im Zusammenhang mit einem Vermieterwechsel werde von der Mieterin so aufgefasst, dass die Kaution nicht mehr gebraucht werde – weder von dem früheren Vermieter noch – vor allem – von dem neuen. Das wird man auch anders sehen können. Vermieter tun aber gut daran, die Kaution dem neuen Eigentümer zu übergeben – und nicht dem Mieter.

AG Hamburg-Altona, Urteil vom 12.02.2019, Aktenzeichen 316 C 279/18

24.01.2019: Bundesgerichtshof: Anerkennung eines Pflichtteilsanspruchs im Prozess

Der Pflichtteilsberechtigte, der meistens die Höhe seines Anspruchs nicht kennt, hat einen Auskunftsanspruch gegen den Erben. Macht er zunächst diesen Auskunftsanspruch geltend, um sodann den Pflichtteil zu fordern, muss er die Verjährung seines Anspruchs im Blick behalten: drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem er Kenntnis erlangt vom Tod und seiner Enterbung, verjährt üblicherweise seine Pflichtteilsforderung. Das Tückische: Die Klage auf Erteilung von Auskunft über den Nachlassbestand lässt den Lauf der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs unberührt.
Der Pflichtteilsberechtigte wird deshalb normalerweise Stufenklage erheben: auf Auskunft und Zahlung. Damit hat er den Lauf der Frist erfolgreich unterbrochen. Versäumt sein Anwalt dies oder gibt es ausnahmsweise gute Gründe für eine Klage allein auf Auskunft, so kann die Verjährung auch dadurch gestoppt werden, dass der Gegner im Auskunftsprozess den Pflichtteilsanspruch anerkennt. Das geschieht aber, wie der BGH nunmehr entschied, nicht schon dadurch, dass der Beklagte erklärt “an sich bestehe ja ein Auskunftsanspruch; aber im konkreten Falle werde dem aus diesem oder jenem Grunde widersprochen.” Zwar könne ein vorbehaltloses Anerkenntnis des Auskunftsanspruchs – wie auch eine vorbehaltlose Auskunft selbst – ein Anerkenntnis des Pflichtteilsanspruchs darstellen – aber nicht ein nur theoretisches, beinahe rabulistisches Anerkenntnis wie hier.

BGH, Urteil  vom IX ZR 233/17

10.01.2019: Bundesgerichtshof: Kosten der Teilungsversteigerung tragen die Miteigentümer nach Maßgabe ihrer Mitberechtigung

Verfahren der Teilungsversteigerung sind zwar formal der Zwangsvollstreckung zugeordnet. In ihnen gibt es aber keinen Gläubiger und keinen Schuldner, sondern nur Miteigentümer. Daher gilt auch nicht der Kostengrundsatz aus dem Zwangsvollstreckungsrecht, wonach im Regelfall der Schuldner die Kosten der Versteigerung zu zahlen hat (§ 788 ZPO). Die Teilungsversteigerung ist die gesetzlich vorgesehene Form der Teilung eines Objekts, wenn sich die Mitberechtigten (Eheleute; Erben) nicht auf eine Teilung einigen können. Die Kosten tragen sie also alle miteinander als normale Kosten der Verwaltung – so dass jeder einen Kostenanteil trägt, der seinem rechnerischen Anteil am versteigerten Objekt entspricht. Das gilt auch für Kosten einer einstweiligen Einstellung der Teilungsversteigerung – nicht aber für die Einlegung echter Rechtsbehelfe wie “Erinnerung”, sofortige Beschwerde und Rechtsbeschwerde. Hier trägt – wie üblich in streitigen Verfahren – der Unterlegene die Kosten.

BGH, Beschluss vom 20.01.2019, Aktenzeichen V ZB 19/18

18.01.2019: Bundesgerichtshof: Herabsetzung der Stimmkraft bei “Geisterwohnungen”

Das Stimmrecht des Wohnungseigentümers zählt zwar zum besonders geschützten Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts. Dennoch ist es in Extremfällen zulässig, durch (zugelassenen) Beschluss oder durch Änderung der Teilungserklärung, im Nichterfolgsfall auch durch Gerichtsurteil, das Stimmrecht eines oder mehrerer Eigentümer zu begrenzen.
So hielt es jetzt der Bundesgerichtshof für richtig, dass das angerufene Gericht die Stimmkraft eines Bauträgers reduziert hatte, der in der Teilungserklärung bestimmt hatte, dass sich das Stimmrecht nach Wohnfläche richtet, aber diejenigen Wohnungen, an denen er selbst Eigentum behielt, über Jahre hinweg nicht errichtete. Dies hatte zur Folge, dass er regelmäßig 48% der Stimmrechte besaß, obwohl er nicht über einen Quadratmeter Wohnfläche verfügte. In diesem Fall war es rechtmäßig, das Stimmrecht auf ca. 36% zu reduzieren – bis zur Errichtung auch derjenigen Wohnungen, die nach Grundbuch noch dem Bauträger verblieben waren.

BGH, Urteil vom 18.01.2019, V ZR 72/18

08.01.2019: Bundesgerichtshof: Keine Haftung der Bank für fehlenden Ertrag der Immobilie

Weiß die um Finanzierung ersuchte Bank, dass eine Immobilie sittenwidrig überteuert angeboten wird, so schuldet sie dem Kaufinteressenten entsprechende Aufklärung. Ob die Immobilie sittenwidrig überteuert ist, richtet sich aber nicht nach dem Ertrag der Immobilie, wenn am Markt solch hohe Preise üblich sind. Weder ist die Bank dem Käufer verpflichtet, den Ertragswert überhaupt zu ermitteln, noch ist sie verpflichtet, den Käufer ungefragt über Diskrepanzen zwischen Ertragswert und dem am Markt üblichen Preisniveau zu informieren. Auch ist das Gericht nicht befugt, ohne eigene Sachkunde über die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen hinwegzugehen, wonach die Vergleichswertmethode trotz der niedrigen Erträge die zutreffende Methode zur Wertermittlung darstellt.

BGH, Beschluss vom 08.01.2019, Aktenzeichen XI ZR 535/17

27.12.2018: Landgericht Krefeld: Anspruch auf Kautionsrückzahlung auch bei Gegenansprüchen des Vermieters

Laut dem Bundesgerichtshof wird die Forderung des Mieters auf Rückzahlung der Kaution erst fällig, wenn feststeht, dass der Vermieter keine Ansprüche mehr gegen den Mieter hat. Das wäre, wörtlich genommen, eine ziemliche Bürde für den Mieter, der dann im Streitfalle zunächst auf Feststellung klagen müsste, dass der Vermieter keine Gegenansprüche mehr hat. Erst wenn er den Prozess gewonnen hat, kann er auf Rückzahlung der Kaution klagen. Das Landgericht Krefeld erlaubt dem Mieter, sofort auf Rückzahlung der Kaution zu klagen.Es genüge dem Schutzbedürfnis des Vermieters, wenn dessen Gegenforderungen im laufenden Kautionsprozess mit geprüft würden.

LG Krefeld, Beschluss vom 27.12.2018, Aktenzeichen 2 T 31/18

27.12.2018: Landgericht Krefeld: Einwerfen des Schlüssels genügt nicht zur Rückgabe der Wohnung

Wirft der Mieter nach Ende des Mietverhältnisses seinen Schlüssel beim Vermieter in den Briefkasten, gibt er damit in der Regel seinen Besitz an der Wohnung auf, und der Vermieter gewinnt den Besitz, auch wenn er von dem Einwurf des Schlüssels (noch) nichts weiß. Damit allein ist die Wohnung aber noch nicht zurückgegeben, sagt das Landgericht Krefeld: der Vermieter muss dazu auch wissen, dass er den Schlüssel hat. Notfalls muss er also dem Vermieter beweisen, dass der Vermieter von der Rückgabe auch Kenntnis genommen hat. Praktisch ist dieses Problem eher bei größeren Wohnungsgesellschaften mit viel Publikumsverkehr und mehreren Briefkästen. Ein loser oder mangelhaft bezeichneter Schlüssel führt dort schnell zu einer Nicht-Kenntnis der Vermietungsgesellschaft. In überschaubaren Mietverhältnissen dürfte sich dieses Problem in der Schärfe eher nicht stellen.

LG Krefeld, Beschluss vom 27.12.2018, Aktenzeichen 2 T 27/18 und 2 T 28/18

21.12.2018: Landgericht Itzehoe: Beschlusskompetenz für die Regelung der Benutzung von Sondernutzungsflächen

Von Flächen, an denen ein Sondernutzungsrecht besteht, kann der Berechtigte jeden anderen ausschließen. Im Grundsatz kann er zudem, wie ein Eigentümer, mit der Fläche verfahren, wie es ihm beliebt, solange er damit im Rahmen der Teilungserklärung bleibt und keine Gesetze oder Rechte Dritter verletzt. Dennoch hat die WEG die Kompetenz, die Nutzung solcher Flächen durch Beschluss zu beschränken. So kann sie, wie hier, die Nutzung der Stellplätze für Anhänger oder Nutzfahrzeuge verbieten. Das Verbot muss allerdings zielführend und hinreichend bestimmt sein. Sonst ist es – Kompetenz hin oder her – auf Anfechtung hin aufzuheben – wie hier geschehen.

LG Itzehoe, Urteil vom 21.12.2018, Aktenzeichen 11 S 85/16

06.12.2018: Oberlandesgericht München: Wer ein Testament angreift, löst keine Pflichtteilsstrafklausel aus.

Gemeinschaftliche Testamente enthalten häufig sogenannte Strafklauseln, wonach, wer nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, bestimmten Sanktionen unterworfen wird – insbesondere einer Enterbung im zweiten Erbfall. Das OLG München hat nun – nicht überraschend – klargestellt, dass es nicht als Verlangen des Pflichtteils verstanden werden kann, wenn jemand – statt den Pflichtteil zu verlangen – dem Erben sein testamentarisches Erbrecht insgesamt streitig macht.

OLG München, Beschluss vom 06.12.2018, Aktenzeichen 31 Wx 374/17

14.11.2018: Bundesgerichtshof: Lebenslanges Wohnrecht in einem Kaufvertrag

Veräußert jemand eine Wohnung mit der Maßgabe, dass der derzeit dort wohnende Mieter ein lebenslanges Wohnrecht erhalten soll, kann sich der Mieter im Räumungsprozess darauf berufen (echter Vertrag zugunsten Dritter). Hier hatte die Stadt Bochum mit dieser Maßgabe eine Bergmannswohnung an eine Wohnungsgesellschaft veräußert, die nun dem Bergmann gekündigt hatte. Den Räumungsprozess hat der Bergmann gewonnen.

BGH, Urteil vom 14.11.2018, Aktenzeichen VIII ZR 109/18

14.11.2018: Bundesgerichtshof: Bestimmtheit der Patientenverfügung einer Patientin im Wachkoma

Hat eine Wachkoma-Patientin vorab in einer Patientenfügung bestimmt, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünsche, falls bei ihr “keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins” besteht, so bedarf es für die Beendigung einer künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung (Magensonde) keiner Erklärung des Betreuers und somit auch keiner Genehmigung des Betreuungsgerichts. Das Gericht hat in einem solchen Fall lediglich ein “Negativattest” zu erteilen. Die Erklärung der Patientin selbst ist in diesem Falle hinreichend bestimmt im Hinblick auf die konkrete Behandlungssituation.
An dieser Bestimmtheit ändert sich auch nichts dadurch, dass sie geschrieben hatte, sie wünsche keine aktive Sterbehilfe. Diese Äußerung zwingt allerdings zu einer Auslegung ihrer Patientenverfügung. Im Rahmen dieser Auslegung können auch Umstände eine Rolle spielen, die nicht in der Urkunde selbst niedergelegt sind, insbesondere die durch Zeugen dokumentierte Äußerung der Patientin, bevor sie ins Wachkoma fiel: “ich möchte sterben”.

BGH, Beschluss vom 14.11.2018, Aktenzeichen XII ZB 107/18

31.10.2018: Bundesgerichtshof: Keine Verjährung des Anspruchs auf notarielles Nachlassverzeichnis, solange das private Verzeichnis nicht verjährt ist

Der Pflichtteilsberechtigte hat gegen den Erben Anspruch auf Auskunft über den Nachlass. Er kann wahlweise ein privatschriftliches oder ein vom Notar erstelltes Nachlassverzeichnis fordern. Er kann auch nacheinander beides verlangen. Im letzteren Fall bestand allerdings bisher das Risiko, dass der Anspruch auf das notarielle Verzeichnis verjährt, während der Berechtigte versucht, zunächst das private Verzeichnis durchzusetzen. Nun hat der BGH entschieden, dass der Anspruch auf das notarielle Verzeichnis nicht verjährt, solange der Anspruch auf das private Verzeichnis noch unverjährt und noch nicht erfüllt ist. Es handle sich lediglich um verschiedene Ausprägungen desselben Auskunftsanspruchs.
Der BGH ergänzt: Auch der Pflichtteilsanspruch und der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung – wegen Schenkungen, die der Erblasser bereits vor seinem Tod anderen gemacht hat – sind Ausprägungen eines und desselben Anspruchs, weshalb auch eine Klage auf Pflichtteilsergänzung die Verjährung für die Pflichtteilsforderung hemmt. Umgekehrt gilt das im Grundsatz auch, setzt aber voraus, dass die tatsächlichen Umstände, die eine Pflichtteilsergänzung begründen (nämlich die Schenkung), bereits in der unverjährten Klage dem Gericht vorgetragen wurden.

BGH; Urteil vom 31.10.2018, Aktenzeichen IV ZR 313/17

30.10.2018: Amtsgericht Dortmund: Zerrüttung zwischen Mieter und Vermieterin als Kündigungsgrund

Es ist anerkannt, dass ein Mietvertrag wegen Zerrüttung des Mietverhältnisses gekündigt werden kann, wenn der andere Teil die Vertrauensgrundlage derart beschädigt hat, dass dem Kündigenden eine Vertragsfortsetzung nicht zugemutet werden kann. Die entscheidende Frage ist, wann dies der Fall ist. Hier hat das AG Dortmund entschieden, dass diese Schwelle nicht erreicht ist. Hier war der Gekündigte nach Ausweis der Urteilsgründe Rechtsanwalt, engagiert in eigener Sache, Besserwisser, Vielschreiber und mutmaßlich allseits unbeliebt als Vertragspartner. In der Sache hatte er dagegen meistens recht. Seine Vermieterin dagegen nahm vieles persönlich, seine berechtigten Beschwerden dagegen nicht ernst. Das Gericht stellte fest, dass beide nicht miteinander reden wollten und konnten; es hielt es aber für möglich, dass dies anders wäre, wenn die Vermieterin einen Hausverwalter einsetzt. Solange sie dies nicht probiert hat, kann sie nicht wegen Zerrüttung klagen.

AG Dortmund, Urteil vom 30.10.2018, Aktenzeichen 425 C 4296/17, https://openjur.de/u/2150000.html

26.10.2018: Bundesgerichtshof: Wohnungseigentümer können auch einzeln den Rückbau ungenehmigter Umbauten durchsetzen.

Ändert ein Wohnungseigentümer das Gemeinschaftseigentum, ohne dazu berechtigt zu sein (Einbau eines Dachfensters etc.), so stellt sich die Frage, ob jeder Miteigentümer den Rückbau erzwingen kann, oder ob dies nur die Gemeinschaft (über den Verwalter) kann. Den Rückbau kann man theoretisch sowohl als Schadensersatz verlangen (§ 823 BGB) als auch als Maßnahme der Beseitigung von Eigentumsverletzungen (§ 1004 BGB). Für Schadensersatz ist traditionell die WEG zuständig (der Verwalter), während Beseitigungsansprüche jeder Eigentümer einzeln gegen den Verursacher durchsetzen kann. In dieser Situation hat der BGH bisher entschieden, dass der Einzelne nur Beseitiung der Neuerung verlangen kann, aber nicht Wiederherstellung des bisherigen Zustandes. Das hieße im Falle des Dachfensters: er kann verlangen, dass das Fenster ausgebaut wird, aber nicht, dass das Loch im Dach wieder verschlossen wird. Nun hat sich der BGH eines besseren besonnen und dem Einzelnen das Recht zugesprochen, auch Wiederherstellung des Urzustandes zu verlangen. Die WEG verliert damit das Recht (ohne weiteren Mehrheitsbeschluss) zwischen Wiederherstellung des Urzustandes und Geldersatz zu wählen – denn das ist Standard beim Schadensersatz. Dieser Verlust sei aber, so der BGH, zu verschmerzen, da die WEG das Geld  – wenn sie denn Geldersatz wählen würde – ohnehin für die Schließung des Daches einsetzen müsste. Im übrigen bleibe es ihr weiterhin unbenommen, die Ansprüche der einzelnen Miteigentümer durch Mehrheitsbeschluss  an sich zu ziehen – falls dies nicht lediglich missbräuchlich zu dem Zweck geschieht, die Anspruchsdurchsetzung durch den schon klagenden Miteigentümer zu sabotieren.

BGH, Urteil vom 26.10.2018, Aktenzeichen V ZR 328/17

25.10.2018: Landgericht Hamburg: Treuwidrigkeit bei Doppelkündigung des Vermieters

Üblicherweise kündigen Vermieter einem Mieter im Falle eines Zahlungsverzugs doppelt: zunächst fristlos, gleichzeitig aber auch ordentlich, also fristgebunden, mit derselben Begründung des Zahlungsverzugs. Denn die fristlose Kündigung wird nachträglich unwirksam, wenn der Mieter die schuldig gebliebene Miete nachzahlt (§ 569 Abs.3 Nr.2 BGB). Die ordentliche Kündigung bleibt aber bestehen (siehe unten: BGH v. 19.09.2018). Der Mieter kann lediglich noch geltend machen, der Vermieter handle treuwidrig, wenn er sich auf diese Kündigung beruft. Das Landgericht Hamburg erklärt, treuwidrig handle der Vermieter nur, wenn sich der Mieter bisher noch kein Fehlverhalten vorzuwerfen hatte, das das Vertrauen des Vermieters in eine gedeihliche Fortsetzung des Mietverhältnisses gefährden könnte. Ein solches Fehlverhalten hatte sich der Mieter hier nicht vorzuwerfen. Das Jobcenter hatte lediglich einmal die Zahlung für ihn eingestellt, während er schwer krank war; dies konnte man ihm nicht zum Vorwurf machen, und vor allem war dies kein Anzeichen für Streitigkeiten auch in Zukunft.

LG Hamburg, Urteil vom 25.10.2018, Aktenzeichen 316 S 58/18

18.10.2018: Oberlandesgericht Stuttgart: Zur Nutzungsentschädigung unter Miterben für allein genutzte Immobilie

Ein Miterbe, der eine Immobilie des Erblassers allein bewohnt, schuldet seinem anderenorts wohnenden Miterben nicht ohne weiteres Nutzungsentschädigung. Der auswärtige Miterbe muss zunächst eine Neuregelung der Benutzung der Immobilie verlangen. Das heißt aber nicht, dass der Auswärtige verlangen müsste, dass der andere auszieht oder dass er selbst oder jemand Drittes einziehen dürfte. Das Verlangen einer Neuregelung kann auch darin bestehen, dass der Auswärtige verlangt, dass an die Stelle der unentgeltlichen Nutzung durch den bisherigen Bewohner nun eine entgeltliche Nutzung tritt. Verlangt er dies, kann er auch sofort Geld verlangen – nicht für die Vergangenheit, aber ab sofort.

OLG Stuttgart, Urteil vom 18.10.2018, Aktenzeichen 19 U 83/18

17.10.2018: Bundesgerichtshof: Kein Widerruf einer Zustimmung zur Mieterhöhung nach Fernabsatzrecht

Grundsätzlich gilt das Verbraucherschutzrecht für Fernabsatz und das für Haustürgeschäfte auch im Mietrecht. So unterliegen Mietverträge, die im Fernabsatzwege oder an der Haustüre geschlossen werden, dem Widerrufsrecht nach §§ 312c, 312g Abs.1, 355 BGB. Auch Mietaufhebungsverträge, die im Fernabsatzwege (durch Briefwechsel) oder an der Haustür geschlossen werden, könnten widerruflich sein.
Der BGH hat nun aber entschieden, dass Zustimmungen zu einer Mieterhöhung nicht widerrufen werden können, wenn der Vermieter den Weg des gesetzlichen Mieterhöhungsverlangens nach § 558a BGB eingeschlagen hat und der Mieter nach § 558b BGB zugestimmt hat. Der Mieter habe in diesem Falle Zeit und Ruhe genug, sich seine Zustimmung zu überlegen.
Anders ist es dann, und das lässt der BGH durchblicken, obwohl dies hier nicht zur Entscheidung anstand, wenn der Vermieter ohne Einhaltung der gesetzlichen Formalien dem Mieter eine Mieterhöhung vorschlägt und der Mieter zustimmt (oder wortlos die höhere Miete bezahlt). Diese schlichte Vertragsänderung gemäß § 557 BGB kann vom Mieter widerrufen werden, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen (Fernabsatz oder Haustürabschluss).

BGH, Urteil vom 17.10.2018, VIII ZR 94/17

19.09.2018: Bundesgerichtshof: Doppelkündigung bei Mietverzug bleibt auch im Falle der Nachzahlung wirksam.

Kündigt der Vermieter wegen Mietschulden den Mieter fristlos, kann dieser die Kündigung in Wegfall bringen, indem er seine Mietschulden nachzahlt. Bei der ordentlichen – fristgebundenen – Kündigung gilt diese Besonderheit nicht. Viele Vermieter kündigen daher im Falle des Zahlungsverzugs ihres Mieters doppelt: fristlos und zugleich ordentlich – unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Zieht der Mieter nicht aus, und zahlt er seine Mietschulden nach, besteht der Vermieter auf der ordentlichen Kündigung. Dieses Verhalten entspricht dem Gesetz, hat der BGH jetzt festgestellt. Der Mieter kann durch die Nachzahlung nur die fristlose Kündigung beseitigen; die ordentliche bleibt bestehen – und wird natürlich erst mit Ablauf der Kündigungsfrist wirksam.

Damit bleibt nur noch die vom BGH nicht erörterte Frage offen, ob der Vermieter, der sich auf diese ordentliche Kündigung beruft, damit gegen den Grundsatz von “Treu und Glauben” verstößt. In welchen Fällen das der Fall sein kann, ist leider bis heute nicht geklärt.

BGH, Urteile vom 19.09.2018. Aktenzeichen VIII ZR 231/17 und VIII ZR 261/17

13.09.2018: Bundesgerichtshof: Erstellen eines notariellen Nachlassverzeichnisses ohne persönliches Erscheinen des Verpflichteten?

Der Pflichtteilsberechtigte kann vom Erben verlangen, dass dieser ein notariell beurkundetes Nachlassverzeichnis erstellen lässt. Strittig war bisher, ob der Erbe dazu persönlich vor dem Notar erscheinen musste, oder ob es genügte, wenn sich der Notar aus anderen Quellen informierte – sei es, dass vor ihm ein Vertreter des Erben erschien oder der Anwalt des Erben dem Notar schriftlich Informationen zukommen ließ. Der BGH stellt hier zunächst zum wiederholten Male fest, dass der Notar den Nachlassbestand “selbst ermitteln und feststellen” muss. Dabei hat er die Nachforschungen anzustellen, die ein neutraler Dritter aus der Sicht des Pflichtteilsberechtigten für erforderlich halten würde. Der BGH meint, dass dazu in der Regel auch gehört, den Erben persönlich anzuhören. Es könne aber Situationen geben – wie im vorliegenden Fall – dass die Erbin bereits beim Notar gewesen war und ihm alle nötigen Unterlagen überbracht hatte. In einem solchen Fall müsse sie zu einem vom Notar angesetzten offiziellen Termin nicht unbedingt (noch einmal) erscheinen. Entscheidend ist immer der jeweilige Aufklärungsbedarf. Wenn dieser aus Sicht des pflichtgemäß handelnden Notars gedeckt ist, muss der Erbe nicht (erneut) vorsprechen.

BGH, Beschluss vom 13.09.2018, Aktenzeichen I ZB 109/17

04.09.2018: Bundesgerichtshof: Rückforderung zuviel gezahlter Miete

Dass der Mieter zuviel Miete zahlt, kommt in der Praxis natürlich vor allem dann vor, wenn Mietmängel im Streit stehen. Seit dem Urteil des BGH vom 16.07.2003 (Aktenzeichen VIII ZR 274/02) schien es so, als könne der Mieter zuviel gezahlte Miete nur zurück verlangen, wenn er seine Zahlung unter Vorbehalt geleistet hatte. Zahlte der Mieter seine Miete dagegen vorbehaltlos ungemindert weiter, in Kenntnis des Mangels, konnte er hiernach – anscheinend – seine zuviel gezahlte Miete nicht zurückfordern. Denn normalerweise sei dem Mieter sein Recht zur Mietminderung im Mangelfall bekannt, und daher zahle er “im Regelfall” wider besseres Wissen zuviel Miete. In diesem Fall verbietet § 814 BGB die Rückforderung. Nun erklärt der BGH: Es bleibt dabei, dass der Vermieter in einer solchen Situation beweisen muss, dass der Mieter sein Minderungsrecht gekannt hat. Dass der Mieter sein Recht “im Regelfall” kennt, sei nicht als Beweiserleichterung für den Vermieter zu verstehen. Kann also nun der Mieter (wieder) einfach behaupten, er hätte von seinem Minderungsrecht keine Kenntnis gehabt? Im vorliegenden Fall war es so nicht: dort hatte der Mieter nachweislich zwei E-Mails geschrieben, aus denen sich ergab, dass er glaubte, der Vermieter müsse seiner Minderung zustimmen. Wie sich die Gerichte verhalten werden, wenn es solche Indizien für eine tatsächliche Unkenntnis nicht gibt und der Mieter sein Unwissen einfach im Nachhinein behauptet, wird sich zeigen müssen. Der Mieter, der Bescheid weiß, tut gut daran, auch in Zukunft seine Miete (teilweise) unter Vorbehalt zu zahlen.

BGH, Beschluss vom 04.09.2018, Aktenzeichen VIII ZR 100/18

28.08.2018: Oberlandesgericht Düsseldorf: Bedeutung einer Erbeinsetzung “unserer Kinder” in Patchworkfamilien

Setzen Eheleute, die in zweiter Ehe verheiratet sind, “unsere Kinder” zu ihren Erben ein, so ist damit nicht zwingend gesagt, dass damit nur die gemeinschaftlichen Kinder gemeint sind. Haben sie auch Kinder aus erster Ehe oder anderen Verbindungen, so ist die Formulierung mehrdeutig und damit auslegungsbedürftig. Entscheidend kommt es auf den familieninternen Sprachgebrauch an und darauf, was die Eheleute unter ihrer “Familie” verstanden.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.08.2018, Aktenzeichen 3 Wx 6/18

22.08.2018: Bundesgerichtshof: Absprachen mit dem Vormieter sind für Renovierungspflicht irrelevant

Wer eine Wohnung unrenoviert übernommen hat, muss auch beim Auszug nicht renovieren – egal, was im Mietvertrag steht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Mieter für seine Leistungen einen Ausgleich erhält. Dies hat der Bundesgerichtshof jetzt sogar für den Fall bestätigt, dass der Mieter bei seinem Einzug mit dem Vormieter eine Abmachung dahingehend getroffen hatte, dass er die Renovierung der Wohnung übernimmt – gegen entsprechende Gegenleistung des Vormieters. Eine solche Abmachung ändere nichts daran, dass die Wohnung unrenoviert übernommen worden sei. Der Mieter erhalte auch keinen angemessenen Ausgleich – besser gesagt: er erhält ihn nicht vom Vermieter, sondern vom Vormieter. Das aber soll nicht genügen, um dem Vermieter gegenüber eine Renovierungspflicht zu begründen.

BGH, Urteil vom 22.08.2018; Aktenzeichen VIII ZR 277/16

16.08.2018: Oberlandesgericht München: Nachlasspfleger zugunsten eines Erben, der vom Erbfall nichts weiß

Ein Nachlasspfleger ist auch dann zu bestellen, wenn jemand Erbe geworden ist, der ohne amtliche Ermittlung nie von dem Erbfall oder seiner Berufung zum Erben erfahren würde. Denn Sinn der Nachlasspflegschaft ist nicht allein die Sicherung des Nachlassbestandes vor dem Zugriff Nichtberechtigter, sondern sie ist Sicherung des Nachlasses für die Person des Erben, mag diese auch noch nicht feststehen. Der Nachlassbestand wird nicht um seiner selbst willen geschützt, sondern um des (vielleicht noch zu ermittelnden) Erben willen.

OLG München, Beschluss vom 16.08.2018, Aktenzeichen 31 Wx 145/18

20.07.2018: Bundesgerichtshof: Nachrüstung von vorgesehenen, aber nicht geschuldeten Jalousien in der WEG

Ein Mehrheitsbeschluss hatte den Eigentümern gestattet, die vorgesehenen Jalousien auf eigene Kosten anzubringen. Nachdem ein Eigentümer diese bei sich installiert hatte, klagte der WEG-Nachbar auf Beseitigung.
Gegenstand des Verfahrens war nicht die erstmalige vertragsgerechte Herstellung des Gebäudes, weil die Installation bloß vorgesehen war, aber nicht vom Bauträger geschuldet war. Die Anbringung der Jalousien war also eine bauliche Änderung. Auf diese könnte der verklagte Eigentümer einen Anspruch haben: falls nämlich die Baugenehmigung nach Jalousien verlange. Sei es aber wie üblicherweise – dass nämlich ein in der Baugenehmigung vorgesehenes Detail zwar ausgeführt werden darf, aber nicht ausgeführt werden muss -, so habe auch der Eigentümer gegen den klagenden WEG-Nachbarn kein Recht auf Duldung der Jalousien.

BGH, Urteil vom 20.07.2018, Aktenzeichen V ZR 56/17. https://openjur.de/u/2110196.html

18.07.2018: Bundesgerichtshof: Beschluss zur Vergemeinschaftung von Ansprüchen gegen den Bauträger

Die Käufer einer neu gebauten Eigentumswohnung können ihre Mängelansprüche einzeln geltend machen oder aber auch gemeinschaftlich als WEG. Nach erfolgtem Mehrheitsbeschluss zur gemeinschaftlichen Geltendmachung kann der einzelne Käufer seine Ansprüche selbst nicht mehr weiter verfolgen.
Der BGH hat nun entschieden, dass ein Vergemeinschaftungsbeschluss schon dann vorliegt, wenn die Eigentümergemeinschaft beschließt, Mängelansprüche dem Bauträger gegenüber geltend zu machen und einen Anwalt mit der Durchsetzung zu beaufragen. Es bedarf also nicht zweier Beschlüsse: zunächst der Vergemeinschaftung und dann der Geltendmachung.
Die Verjährung von Mängelansprüchen wird auch dann gehemmt, wenn die Käufer bzw. die WEG die Mangelursache falsch angibt – solange nur die Folge des Mangels (der “Fleck”, der Riss etc.) so bezeichnet ist, dass keine Missverständnisse bestehen.

OLG München, Urteil vom 19.04.2016, Aktenzeichen 9 U 3566/15
BGH, Beschluss vom 18.07.2018, Aktenzeichen VII ZR 112/16

12.07.2018: Bundesgerichtshof: Auch der Facebook-Account gehört zum Nachlass, jedenfalls in Altfällen

Die frühere “Gedenkklausel” bei Facebook sei unwirksam, sagt der BGH. Damit haben die Erben eines Facebook-Kunden Zugang zu dem Account des Verstorbenen, bzw. der Konzern ist verpflichtet, diesen Zugang zu gewähren. Zu den mittlerweile überarbeiteten heute gültigen Gedenkklauseln hat er sich nicht geäußert. Insoweit herrscht also weiterhin keine Rechtssicherheit.

BGH, Urteil vom 12.07.2018

06.07.2018: Oberlandesgericht Düsseldorf: Kein Recht auf Belegvorlage.

Der Pflichtteilsberechtigte kann vom Erben Auskunft über den Nachlassbestand am Todestag verlangen; dazu über solche Verfügungen zu Lebzeiten, die als Schenkung zu qualifizieren sind oder sonst einen Pflichtteilsergänzungsanspruch begründen können. Er kann außerdem sachverständige Ermittlung des Wertes jedes einzelnen Nachlassgegenstands verlangen, und dazu bedarf es gelegentlich auch der Aushändigung von Belegen. Es gibt aber keinen allgemeinen Anspruch an den Erben, dem Berechtigten zusammen mit der Auskunft Belege, insbesondere Sparbücher und Kontoauszüge, vorzulegen. Der Gesetzgeber unterscheidet klar zwischen Auskunft einerseits und Rechnungslegung andererseits. Zur Rechnungslegung gehören auch Belege, aber im Pflichtteilsrecht gibt es keinen Anspruch auf Rechnungslegung. Für den Pflichtteilsberechtigten ist das misslich, weil er auf die Ehrlichkeit des Erben angewiesen bleibt, an der es häufig fehlt.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2018, I-7 U 9/17

02.07.2018: Oberlandesgericht Stuttgart: Der Auskunftsanspruch des Miterben verjährt in drei Jahren.

Auskunftsansprüche unter Miterben über den Bestand und Verbleib der Nachlassgegenstände verjähren lt. dem OLG Stuttgart in drei Jahren, obwohl der Anspruch auf Auseinandersetzung des Nachlasses gar nicht verjährt. So muss – wer ausgleichspflichtige Leistungen durch seine Miterben befürchtet oder erhofft, dass solche an den Miterben erfolgt sind (inbesondere Schenkungen der Eltern) – innerhalb von drei Jahren entsprechende Auskunft erbitten und nötigenfalls einklagen, auch wenn die Auseinandersetzung des Erbes noch gar nicht vorgesehen ist. Die Rechtsauffassung des OLG Stuttgart ist demgemäß umstritten.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.07.2018, Aktenzeichen 19 W 27/18

08.06.2018: Bundesgerichtshof: Die WEG haftet den Wohnungseigentümern nicht für unterlassene Beschlüsse oder die unterlassene Umsetzung gefasster Beschlüsse.

Dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nur als “teilrechtsfähig” angesehen wird, äußert sich in der Praxis vor allem darin, dass die Gemeinschaft (“WEG”) zwar nach außen hin (Handwerkern) handlungsfähig ist, aber nicht durchweg auch nach innen (dem Verwalter und der Eigentümerversammlung gegenüber). Unterlässt diese es, Beschlüsse zu fassen, oder unterlässt es jener, Beschlüsse durchzuführen, so haften dafür Verwalter und Wohnungseigentümer, aber nicht die “WEG” als Verband.
Der einzelne Eigentümer hat – nunmehr bestätigt – auch einen klagbaren Anspruch gegen den Verwalter auf Umsetzung eines Beschlusses.

Richtet ein vom Verwalter engagierter Handwerker o.ä. am Sondereigentum einen Schaden an, so haftet hierfür ebenfalls nicht die WEG als Verband, sondern der Handwerker.

BGH, Urteil vom 08.06.2018, Aktenzeichen V ZR 125/17

07.06.2018: Landgericht Frankfurt am Main: Wiederherstellung der ursprünglichen – plangerechten – Bauzustands nach Verjährung des Rückbauanspruchs

Auch in Zweier-WEG steht der Duldungsanspruch nur der Gemeinschaft zu!

Der Anspruch auf Beseitigung einer unzulässigen baulichen Veränderung ist auch in der WEG ein Individualanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers. Hat jeder Wohnungseigentümer seinen Anspruch verjähren lassen, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands beschließen. Die Kosten sind dann freilich von allen gemeinsam zu tragen, es sei denn, die Teilungserklärung bestimmt etwas anderes. Um die Wiederherstellung in der Wohnung desjenigen, der unzulässig umgebaut hat, tatsächlich durchzusetzen, bedarf es aber neben dem Rückbaubeschluss auch eines Anspruchs der WEG gegen den Betreffenden auf Duldung der Störungsbeseitigung. Das Landgericht hat entschieden, das auch in Zwei-Personen-Gemeinschaften dieser Anspruch immer nur der Gemeinschaft zugestanden hatte – und nicht zusammen mit den Individualansprüchen verjährt ist.

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 07.06.2018, Aktenzeichen 2-13 S 98/17

30.05.2018: Bundesgerichtshof: Nebenkostenabrechnung nach tatsächlicher Wohnfläche

Weicht, wie häufig, die vertraglich vereinbarte Wohnfläche von der tatsächlichen ab, muss der Vermieter die Betriebskosten, soweit sie nach Maßgabe der Wohnfläche umzulegen sind, nach der tatsächlichen Wohnfläche umlegen. Bisher hatte gegolten: weicht die tatsächliche Fläche nicht mehr als 10% von der vereinbarten ab, gilt die vereinbarte Fläche. Dies war wohl die praktikablere Lösung, denn die vereinbarte Fläche ergibt sich aus dem Mietvertrag, die tatsächliche Fläche muss erst einmal – sachverständig? – ermittelt werden.

BGH, Urteil vom 30.05.2018, Aktenzeichen VIII ZR 220/17

17.05.2018: Landgericht Frankfurt a.M.: Anfechtungsrecht in WEG mit Untergemeinschaften

Mehrhausanlagen sind häufig rechtlich als Gemeinschaft (WEG) mit Untergemeinschaften ausgestaltet. Typischerweise entscheiden die Untergemeinschaften autonom über Sanierungen an “ihrem Haus”, und nur ihre Mitglieder (die Bewohner dieses Hauses) tragen die anfallenden Kosten. Im hier entschiedenen Fall hat ein Eigentümer aus einem anderen Haus – einer anderen Untergemeinschaft einen Sanierungsbeschluss angefochten. Das Gericht hat entschieden, dass jedem Mitglied der WEG ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung von Beschlüssen einer Untergemeinschaft zusteht, falls nicht im Einzelfall die Haftung aller Mitglieder der WEG für Schulden der Untergemeinschaft ausgeschlossen ist. Denn im Ernstfall hilft es dem “hausfremden” Miteigentümer nicht, dass die Kosten einer Sanierung nur auf die Mitglieder in dem sanierten Hause umzulegen sind. Die Haftung im Falle des Zahlungsausfalls trifft nämlich nach § 10 Abs.8 WEG alle WEG-Mitglieder.

LG Frankfurt, Urteil vom 17.05.2018, Aktenzeichen 2-13 S 168/15

15.05.2018: Bundesgerichtshof: Zum Zahlungsverzug bei nur symbolischer Miete

Haben die Beteiligten eine nur symbolische Miete vereinbart, genügt es für die Kündigung wegen Zahlungsverzugs nicht, dass die Mieterin mit einem Betrag von zwei symbolischen Monatsmieten in Verzug ist. “In einem derart atypischen Fall” sei auf den objektiven Mietwert der Wohnung abzustellen. So das Berufungsgericht in der Vorinstanz, und der BGH sah keinen Grund, sich davon zu distanzieren. Die symbolische Miete betrug hier 1 Euro Kaltmiete plus Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von € 220,-. Der Vermieter hatte gemeint, ein Rückstand in Höhe von mehr als 2 x € 221,- berechtige ihn zur Kündigung. Das Landgericht hat festgestellt, dass der wahre Wohnwert 900 Euro betrug, so dass zur Kündigung nach § 543 II S.1 Nr.3b) ein Rückstand in Höhe von 2 x (€ 900+220), also € 2240,- erforderlich gewesen wäre.

BGH, Hinweisbeschluss v. 15.05.2018, Aktenzeichen VIII ZR 150/17 (rechtskräftig nach Revisionsrücknahme)

08.05.2018: Bundesgerichtshof: Kündigungsverzicht ist – individuell vereinbart – wirksam.

Zwar nicht in Kleingedrucktem (“AGB”), wohl aber als Ergebnis individueller Verhandlung, können Mieter und Vermieter vereinbaren, dass der Vermieter ohne jede zeitliche Einschränkung auf sein Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet. Das hat der BGH nun entschieden. Dabei könne vorerst offen bleiben, ob eine solche Vereinbarung zugleich bedeutet, dass der Vermieter jedenfalls nach 30 Jahren kündigen könne.
Nebenbei hat der BGH klargestellt, dass natürlich der Mieter nicht deshalb Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist, weil er auf Verlangen des Vermieters einen bestimmten Vertragsvordruck besorgt hat.

BGH, Beschluss vom 08.05.2018, Aktenzeichen VIII ZR 200/17

04.05.2018: Bundesgerichtshof: Behebung eines anfänglichen Baumangels in der Altbau-WEG

Wenn Feuchtigkeit die Nutzbarkeit von Räumen erheblich beeinträchtigt, haben alle Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf, dass dieser Mangel behoben wird. Das gilt auch im Altbau (von 1890), und zwar unabhängig davon, ob er als “vollständig saniert” beworben worden war. Maßgeblich ist allein, ob ein Raum ohne gravierende Einschränkungen so nutzbar ist, wie er nach dem Aufteilungsplan genutzt werden soll, insbesondere also als Wohnung oder als Laden. Die Rechtslage sei also anders als bei Fragen der Ausstattung mit Trittschallschutz. Dort komme es allein auf den Baustandard zur Zeit der Errichtung des Gebäudes an. Stehe aber nicht der Standard in Frage, sondern die Nutzbarkeit als solche (nämlich bei erheblicher Feuchtigkeit), spiele das Alter des Gebäudes keine Rolle. Liegt der Grund für die Feuchtigkeit darin, dass die Sanierung, die im Zuge der Aufteilung des Altbaus (und Umwandlung in Eigentumswohnungen) durchgeführt wurde, technisch unzureichend war,  so ist dieser Anspruch der Sache nach ein Anspruch auf erstmalige ordnungsmäßige Herstellung des Gebäudes.
Auf die Kosten der Sanierung kommt es dabei nicht an. Es gelten nur zwei Ausnahmen, die aber hier nicht eingreifen: 1) wenn eine vollständige Sanierung nicht zwingend erforderlich ist, um die aufteilungsplanmäßige Nutzung aller Räume sicherzustellen, hat die WEG einen Ermessensspielraum: sie muss dann auch die Zahlungsfähigkeit der Wohnungseigentümer berücksichtigen und kann eine vollständige Sanierung auch erst einmal zurückstellen.
2) wenn die Gebäudesubstanz nicht gefährdet ist, kann auch eine Anpassung der Teilungserklärung an die Realität in Betracht kommen. Dies geschieht eigentlich nur dort, wo aufgrund des in der Gründungszeit der WEG begangenen Fehlers ein Sondereigentum gar nicht entstanden ist (der Bau wurde gänzlich anders errichtet als in den Plänen vorgesehen). Theoretisch könnte man aber auch bei Feuchtigkeitsschäden die Teilungserklärung an die Realität anpassen, indem man zum Beispiel den feuchten Raum zum Abstellraum umdeklariert. Das komme aber nur in Extremfällen in Frage – und auch nur gegen Entschädigung des damit enteigneten Wohnungs- oder Ladeninhabers.

BGH, Urteil vom 04.05.2018, Aktenzeichen V ZR 203/17. https://openjur.de/u/2111252.html

04.05.2018 Bundesgerichtshof: Sanierung der Dachterrasse auf Kosten des Sondereigentümers

Steht eine Dachterrasse – wie meist in solchen Fällen – nach der Teilungserklärung im Sondereigentum desjenigen, der den Zugang zu ihr genießt, und erklärt die Teilungserklärung weiter, dass die Sondereigentümer “Balkone und Loggien” selbst zu unterhalten hätten, so hat der betreffende Sondereigentümer nicht nur diejenigen Teile der Dachterrasse auf eigene Kosten zu sanieren, die in seinem Sondereigentum stehen (das ist nämlich kaum mehr als der Fußbodenbelag der Terrasse), sondern auch diejenigen Teile, die im Gemeinschafteigentum stehen. Bei Dachterrassen ist das zugleich das Dach des Hauses. Der BGH erklärt dies damit, dass eine Dachterrasse eine Einrichtung ist, die gegenüber einem schlichten Dach erhebliche Mehrkosten verursacht, und diese seien komplett von dem Nutznießer zu tragen. Das dürfte bedeuten, dass der Nutznießer auch diejenigen Teile instandhalten muss, die man aufgrund sprachlichen Verständnisses nicht als Teil der Dachterrasse bezeichnen würde, die aber erst durch die Dachterrasse nötig werden (z.B. Regenrinnen und Isolierungen benachbarter Gebäudeteile). Dass der Nutznießer nicht nur selbst diese Teile instand halten muss, sondern in dem Falle, dass die WEG die Sanierung beschließt, deren Kosten zu übernehmen hat, erörtert der BGH nicht ausdrücklich. Dass dies in der Regel so ist, hat der BGH in einer früheren Entscheidung bereits begründet (Urteil vom 28.10.2016 – V ZR 91/16) 

BGH, Urteil vom 04.05.2018, Aktenzeichen V ZR 163/17

30.04.2018: Landgericht Koblenz: Pflicht zur Geltendmachung von Schadensersatz gegen den Verwalter

Handelt der Verwalter pflichtwidrig, und entsteht der WEG dadurch ein finanzieller Schaden, sind die Mitglieder der WEG einander verpflichtet, einen Beschluss zu fassen, wonach der Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter tatsächlich – notfalls vor Gericht – durchgesetzt wird. Eine solche Beschlussfassung kann, wenn die Mehrheit der WEG sie ablehnt, durch Gerichtsentscheidung ersetzt werden. Die Anforderungen an die Darstellung des möglichen Schadensersatzanspruchs sind dabei überraschend niedrig. Eine schlüssige Darstellung reicht aus, und der Schadenseintritt darf nicht ganz fernliegend sein. Dass es im Prozess gegen den Verwalter auch gewisse Beweisschwierigkeiten und sonstige normale Prozessrisiken geben könnte, steht dem nicht entgegen. Jedenfalls zählen weder Bequemlichkeit noch der Wunsch einzelner WEG-Mitglieder, es sich mit dem Verwalter nicht zu verderben.

LG Koblenz, Urteil vom 30.04.2018, Aktenzeichen 2 S 67/16

30.04.2018: Oberlandesgericht Koblenz: Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis

Der Notar hat zwar die Pflicht, “den Nachlassbestand selbst zu ermitteln” und zugleich Verantwortung für die Richtigkeit des Inhalts zu übernehmen. Ob das so entstandene Verzeichnis aber den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Auskunft erfüllt, richtet sich nicht nach den Kenntnissen oder Erkenntnismöglichkeiten des Notars, sondern allein nach denen des Erben. Hat also der Erbe dem Notar Umstände verschwiegen, so ist die Auskunft unvollständig – unabhängig davon, ob der Notar diese Umstände selbst hätte ermitteln können oder müssen.
Das Gericht betont, dass der Erbe nicht nur zu offenbaren hat, was er weiß, sondern auch, was er ermitteln könnte (Kontoauszüge; Grundbuchauszüge anfordern). Dabei hat der Erbe zwar nicht die Pflicht, die Vergangenheit kompett zu durchforsten, um mögliche, schon Jahre zurückliegende Schenkungen zu ermitteln. Er hat aber immer dann eine Pflicht zur eigenen Recherche, wenn es für ihn Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Erblasser eine Schenkung gemacht hat. Dieser Anhaltspunkt kann sich aus Umständen ergeben, die dem Erben schon vorliegen, die ihm vom Pflichtteilsberechtigten mitgeteilt werden oder die sich aus Rückfragen des Notars ergeben. Denn der Notar hat im Rahmen seines Amtes die Pflicht, die Angaben des Erben auf Plausibiliät zu prüfen und Ansätzen für Widersprüche nachzugehen. Er hat je nach den Umständen auch die Pflicht, eigene Erkundigungen über Punkte einzuholen, deren Lückenhaftigkeit ihm ersichtlich ist.
Ist die notarielle (oder auch die private) Auskunft nach diesen Kriterien unvollständig, kann der Pflichtteilsberechtigte nicht nur verlangen, dass der Erbe die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft an Eides statt versichert, sondern auch, dass gegen den Erben ein  Zwangsgeld festgesetzt wird, die rechtlich betrachtet noch nicht erteilte Auskunft nun doch zu erteilen.

OLG Koblenz, Beschluss vom 30.04.2018, Aktenzeichen 1 W 65/18

24.04.2018: Oberlandesgericht München: Keine Verjährung von Mängelansprüchen am Gemeinschaftseigentum im Falle ungültiger Vertragsklausel über die Abnahme

In zahlreichen Bauträger-Verträgen findet sich die Klausel, wonach der Bauträger den ersten Verwalter bestimmt und dieser, gegebenenfalls zusammen mit einem Sachverständigen, das Gemeinschaftseigentum abzunehmen hat. Eine solche Art der Abnahme garantiert keine Neutralität, da es der Vertrag dem Bauträger erlaubt, auch einen mit ihm verbundenen Verwalter zu bestellen. Solche Vertragsklauseln sind daher unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 12.9.2013, Az. VII ZR 308/12). Weil die Verjährung aber nach dem Gesetz erst mit der Abnahme zu laufen beginnt, beginnt in einem Falle, in dem die Abnahme aufgrund unwirksamer Klausel durchgeführt wurde, gar keine Verjährung zu laufen.
Ein Verjährungsbeginn könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die WEG früher schon einmal Vorschuss für eine Mangelbeseitigung eingeklagt habe. Denn ein sogenanntes Abrechnungsverhältnis entstehe in solchen Fällen nur, wenn der Käufer dem Bauträger im Zusammenhang mit seiner Klageforderung klar mache, nie wieder mit ihm zusammenarbeiten zu wollen.
So kann ein Käufer oder eine WEG auch nach 13 Jahren noch Mängelansprüche geltend machen, ohne dass sich der Verkäufer bzw. der Bauträger auf Verjährung berufen kann.
Allerdings müsse sich ein Anspruchsteller in solch einem Fall einen “Abzug neu für alt” gefallen lassen, wenn er einerseits komplette Neuherstellung verlange, es andererseits aber grundlos 13 Jahre lang verabsäumt habe, seine Ansprüche geltend zu machen.

OLG München, Urteil vom 24.04.2018, Aktenzeichen 28 U 3042/17

https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-11100?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1

16.04.2018: Oberlandesgericht Köln: Kosten für Privatgutachten in Pflichtteilsprozessen

Kosten für Gutachten zur Wertermittlung bei Nachlassgegenständen trägt in der Regel der Nachlass: nämlich wenn der Erbe auf Anforderung des Pflichtteilsberechtigten das Gutachten eingeholt hat.
Holt der Erbe ein Gutachten ein, um sich gegen die Klage auf Zahlung des Pflichtteils zu verteidigen, können die Aufwendungen für das Gutachten als notwendige Prozesskosten erstattungsfähig sein. Ebenso, wenn der Pflichtteilsberechtigte selbst ein Gutachten einholt, um im Prozess seiner Darlegungspflicht Genüge zu tun. Privatgutachten im laufenden Prozess werden allerdings eher mit Vorsicht als erforderlich und damit als erstattungsfähig angesehen.

OLG Köln, Beschluss vom 16.04.2018, Aktenzeichen 17 W 39/18

10.04.2018: Oberlandesgericht Karlsruhe: Keine Abnahme durch einen vom Verwalter bestimmten Sachverständigen

Klauseln in einem Kaufvertrag über eine neue Wohnung, wonach das Gemeinschaftseigentum von einem Sachverständigen abzunehmen ist, den der Verwalter beauftragt, sind ungültig, wenn zugleich – wie meist – der Bauträger den Verwalter bestimmt. Solche Vertragsregeln sind ebenso wenig neutral und damit angemessen wie solche, in denen der vom Bauträger bestellte Verwalter selbst das Gemeinschaftseigentum abnimmt.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.04.2018, Aktenzeichen 8 U 19/14

23.03.2018: Bundesgerichtshof: Vereinbarungswidrige Nutzung von Bürogebäuden zu Wohnzwecken.

Dienen Anlagen in Teileigentum laut der Teilungserklärung ausschließlich gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken, so kann eine Wohnnutzung ohne weiteres untersagt werden. Denn dass eine solche Wohnnutzung typischerweise störender ist als eine berufliche Nutzung, ergibt sich schon daraus, dass sie auch nachts und am Wochenende erfolgt. Ob die Nutzung tatsächlich stört, insbesondere ob sie tatsächlich auch nachts oder am Wochenende erfolgt, hat das Gericht nicht zu prüfen. Es geht allein um die typischen Folgen einer Wohnnutzung.
Ist der Wohnnutzer der Meinung, er hätte einen Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung dahingehend, dass auch Wohnnutzung zugelassen sein müsste, so muss er seinen vermeintlichen Anspruch erst rechtskräftig vor dem Gericht feststellen lassen. Es genügt nicht, dass er, auf Unterlassung in Anspruch genommen, nun behauptet, er habe einen Anspruch auf Änderung.

BGH, Urteil vom 23.03.2018, Aktenzeichen V ZR 307/16

21.03.2018: Bundesgerichtshof: Sperrfrist für Eigenbedarfskündigung auch beim “Münchner Modell”

Werden Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft, muss der Erwerber schon lange eine dreijährige Sperrfrist einhalten, bevor er wegen Eigenbedarfs kündigen kann. Dies umging man zuletzt gern im sog. “Münchner Modell”.. Dazu hat in der Regel eine Gesellschaft das Haus gekauft und anschließend die Wohnungen wegen Eigenbedarf ihrer eigenen Gesellschafter gekündigt. Erst anschließend hat man dann die frei gewordenen Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Dem hat der Gesetzgeber 2013 einen Riegel vorgeschoben, wonach nun auch gänzlich unabhängig von einer möglicherweise geplanten Umwandlung Gesellschaften oder sonstige Personenmehrheiten (von Familien einmal abgesehen) eine Sperrfrist einhalten müssen, wenn sie Wohnungen oder Häuser wegen Eigenbedarfs eines ihrer Mitglieder kündigen wollen: § 577a Abs.1 a BGB. Die Existenz der Norm hat sich anscheinend noch nicht weit herumgesprochen. So musste der BGH jetzt einer Frankfurter Immobiliengesellschaft den an sich unmissverständlichen Gesetzestext nahebringen.

BGH, Urteil vom 21.03.2018, Aktenzeichen VIII ZR 104/17

19.03.2018: Oberlandesgericht Rostock: Mehrheitsbeschluss als Grundlage für Forderung einer Nutzungsentschädigung unter Miterben

Miterben, die eine Immobilie geerbt haben, können über deren Benutzung per Mehrheitsbeschluss entscheiden. Dazu bedarf es keiner Versammlung und nicht einmal der Information aller Miterben, wenn nur die Erben, die die Mehrheit haben, einen entsprechenden Willen bekunden. Fordern die Mehrheits-Erben einen in der Immobilie wohnenden Minderheits-Erben auf, Nutzungsentschädigung zu zahlen, so reiche das allein nicht als Willensbekundung aus, wohl aber, wenn sie erklären, der Minderheits-Erbe dürfe dort nicht länger kostenlos wohnen. Der Unterschied zwischen letzterer Erklärung und einer reinen Zahlungsaufforderung ist freilich haarscharf.

OLG Rostock, Beschluss vom 19.03.2018, Aktenzeichen 3 U 67/17

14.03.2018: Bundesgerichtshof: Zins und Tilgung auf einen Immobilienkredit als Basis für Pflichtteilsergänzungsansprüche

Hatte der später Verstorbene eine Immobilie verschenkt und dadurch einem seiner potentiellen Erben den Pflichtteil entwertet, so kann der Pflichtteilsberechtigte Ergänzung des Pflichtteils um den Wert verlangen, der sich aus dem Wert der verschenkten Immobilie ergeben hätte, würde sie noch zum Nachlass gehören. Nun sind aber viele Immobilien im Todesfall noch nicht komplett abgezahlt. Es ergeben sich daher Berechnungsprobleme, wenn der später Verstorbene nicht nur eine Immobilie geschenkt hat, sondern auch danach noch Zins- und Tilgungsleistungen zugunsten des Beschenkten erbracht hat. Diese sind bei der Pflichtteilsberechnung ebenfalls einzubeziehen, obwohl die Zinszahlung das Vermögen des Beschenkten nicht unmittelbar vermehrt (sondern scheinbar das der Bank; aber die Verbindlichkeiten des Beschenkten schrumpfen eben).
Es wäre allerdings ein Rechenfehler, die Tilgungsleistungen mit ihrem Nennwert zu berücksichtigen, wenn die Immobilie bereits mit ihrem Wert zum Todeszeitpunkt berücksichigt wurde. Denn in ihm sind die Tilgungsleistungen zwischen Schenkung und Tod ja bereits enthalten. Die Tilgungsleistungen sind vielmehr dann als eigenständiger Rechnungsposten zu berücksichtigen, wenn die Immobilie mit ihrem Wert zum Zeitpunkt der Schenkung berücksichtigt wird. Die anschließend an die Schenkung noch erbrachten Tilgungen sind also gesondert pflichtteilsergänzungspflichtig.
Ein weiterer Fehler wäre es, die Pflichtteilsergänzung zu berechnen, ohne festzustellen, ob Schenker und Beschenkter der Bank die Zinsen gemeinsam schuldeten (als “Gesamtschuldner”), und ob sie bei einer Ratenzahlung vom Konto des Schenkers davon ausgingen, dass der Beschenkte seiner an sich bei einer Gesamtschuld bestehenden Pflicht, sich zur Hälfte an den Belastungen zu beteiligen, nicht nachkommen müsse (sondern die Hälfte sozusagen geschenkt bekomme). Bei einer intakten Ehe könne in der Regel auch ohne Absprachen davon ausgegangen werden, dass der allein zahlende Partner keine Erstattung vom anderen verlange.
Der BGH betont bei dieser Gelegenheit dagegen erneut, dass eine ehebedingte Zuwendung keineswegs als “Schenkung” bezeichnet gewesen sein muss, um pflichtteilsrechtlich relevant zu sein. Es bedürfe nicht einmal der Einigkeit von Schenker und Beschenktem, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.
Andererseits betont der BGH – erstmals in dieser Deutlichkeit – dass der beschenkte Ehegatte auch darlegen könne, die erhaltene Begünstigung stelle in Wahrheit, obwohl kein Entgelt gezahlt wurde, keine Schenkung dar, sondern bloß eine angemessene Gegenleistung. So hält es der BGH etwa für möglich, dass diese Zinszahlungen unterhaltsrechtlich geschuldet gewesen sein könnten oder erbracht worden seien zur Entgeltung einer Gegenleistung. Hier warten noch einige unerfreuliche Diskussionen.

BGH, Urteil vom 14.03.2018, Aktenzeichen IV ZR 170/16

22.02.2018: Bundesgerichtshof: Anwaltshonorar für Testamentsentwürfe nur noch nach Vereinbarung

Anwälte dürfen für die Erstellung von Testamenten keine Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) berechnen. Jedenfalls hat dies der BGH nun für die Zukunft festgestellt – und zwar auch für den seltenen Fall, dass der Anwalt für zwei in nichtehelicher Lebensgemeinschaft Verbundene zwei aufeinander abgestimmte Testamente entwirft. Die Geschäftsgebühr – nach Wert des Nachlasses bemessen – gilt nur für Tätigkeiten des Anwalts nach außen oder für Vertragsentwürfe. Für Testamentsentwürfe ist der Anwalt somit gehalten, mit dem Auftraggeber eine Honorarvereinbarung abzuschließen – anderenfalls kann er maximal € 250,- abrechnen.
Eine Ausnahme hiervon gilt nur noch für gemeinschaftliche Testamente von Eheleuten. Diese werden nach überwiegender Auffassung noch wie Verträge behandelt, wenn sie wechselseitige Verfügungen enthalten.

BGH, Urteil vom 22.02.2018, Aktenzeichen IX ZR 115/17

22.02.2018: Bundesgerichtshof: Keine fiktive Schadensberechnung, wenn der Käufer die mangelhafte Wohnung unrepariert behält.

Wer eine Wohnung kauft, die mängelbehaftet ist, kann – wenn er nicht vom Vertrag zurücktreten will – die Wohnung auf Kosten des Bauträgers herrichten lassen. Er kann auch Wertminderung geltend machen. Er kann aber ab sofort nicht mehr die Wohnung unrepariert behalten (oder, was in der Praxis eher die Regel sein dürfte: selbst oder schwarz reparieren) und vom Bauträger die Kosten als Schadensersatz verlangen, die nach Gutachten oder Angebot für eine Reparatur notwendig wären (fiktive Schadensberechnung).
Dies gilt für alle Kaufverträge, die seit dem 1.1.2002 geschlossen wurden. Für ältere Verträge bleibt es bei der früheren Rechtsprechung, wonach der Schaden – so wie es im Kfz-Schadensrecht noch immer üblich ist -auch fiktiv berechnet werden kann.

BGH, Urteil vom 22.02.2018, Aktenzeichen 7 ZR 46/17

09.02.2018: Bundesgerichtshof: Erben haften für Brandschaden am Nachbarhaus

Haben Erben Reparaturarbeiten am geerbten Haus in Auftrag gegeben, und verursacht einer der Handwerker einen Brand am Haus, der auf das Nachbarhaus übergreift, so haften die Erben für den Schaden am Nachbarhaus auch ohne eigenes Verschulden. Sie haften zwar nicht auf Schadensersatz, wohl aber auf Ausgleich der “Belastung”, die von dem Feuer ausgeht, welches der Nachbar notgedrungen dulden muss, entsprechend § 906 BGB – nicht anders als bei einer Lärm- oder Geruchsbelastung, die so ist, dass der Nachbar sie ebenfalls dulden müsste.

BGH, Urteil vom 09.02.2018, Aktenzeichen V ZR 311/16