24.07.2017: Oberlandesgericht München: Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments durch den überlebenden Ehegatten als Eigentor

Die Möglichkeit, Testamente anzufechten, reicht viel weiter als bei anderen rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Auch der überlebende Ehegatte kann ein gemeinschaftliches Testament aus vielerlei Gründen anfechten. Genauer gesagt: er kann die eigenen Erklärungen in einem solchen Testament anfechten, namentlich darüber, wer ihn einmal beerben wird. “Beliebt” sind solche Anfechtungen zum einen dann, wenn der als Erbe vorgesehene Abkömmling einen Pflichtteil verlangt hatte – oder sonst Schwierigkeiten gemacht hatte – zum anderen dann, wenn der eingesetzte Erbe nur Abkömmling des verstorbenen Ehegatten gewesen war, aber eben kein Abkömmling des überlebenden Ehegatten (Kind aus erster Ehe). Dabei wird gelegentlich, wie auch im hiesigen Fall, übersehen, dass die Erbeinsetzung dieses Kindes in innerem Zusammenhang mit der Einsetzung des überlebenden Ehegatten selbst steht: Der überlebende Ehegatte war ja typischerweise Alleinerbe des zuerst verstorbenen Ehegatten geworden. Diese Alleinerbenstellung setzt der anfechtende Ehegatte aufs Spiel. Denn Eheleute, die ein gemeinschaftliches Testament aufsetzen, geben einander die Alleinerbenstellung in der Regel nur im Hinblick darauf, dass schlussendlich die bezeichneten Kinder erben werden. Greift nun der überlebende Ehegatte die Erbeinsetzung eines Kindes an, entfällt auch die Alleinerbenstellung des überlebenden Ehegatten rückwirkend – falls es nicht ausnahmsweise an der Wechselbezüglichkeit fehlt. Im vorliegenden Fall hatte der überlebende Ehegatte die Anfechtung sogar sehenden Auges erklärt, um seinem neuen Ehegatten eine Erbmöglichkeit zu eröffnen. Nur hatte er später die Anfechtung selbst wiederum angefochten, aber diese Anfechtung der Anfechtung blieb wirkungslos, da es insoweit an einem Irrtum des Betreffenden fehlte.

OLG München, Beschluss vom 24.07.2017, Aktenzeichen 31 Wx 335/16