08.03.2016: Oberlandesgericht München: Präjudizielle Wirkung des Zivilurteils im Erbscheinsverfahren

Der Erbschein ist als jedermann gegenüber gültiges Legitimationspapier in vielen Erbfällen unerlässlich. Er ist aber immer nur eine vorläufige Bescheinigung, die jederzeit bei Auftauchen neuer Gesichtspunkte aufgehoben werden kann. Rechtskräftig werden kann nur ein Zivilurteil, das ein Erbanwärter gegen den anderen erstreitet. Besteht ein solches (letztinstanzliches) Zivilurteil, muss der Erbschein daran angepasst werden – auch dann, wenn es wahrscheinlich sachlich falsch ist (und der Erbschein richtig) und nur zum Beispiel wegen einer Fristversäumung nicht wirksam angefochten wurde. Das Nachlassgericht, das den Erbschein erteilt, kann sich also auch über ersichtliche falsche Urteile nicht hinwegsetzen. Die Bindungswirkung entfällt erst, wenn ein Grund für die Wiederaufnahme des Zivilverfahrens vorliegt, etwa wenn sich ein Testament zwischenzeitlich als Fälschung herausgestellt hat.

OLG München, Beschluss vom 08.03.2016, Aktenzeichen 31 Wx 386/15

Schon das OLG Frankfurt a.M. hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass auch ein Versäumnisurteil im Zivilprozess diese Bindungswirkung entfaltet (sc.: egal ob es sachlich richtig oder falsch ist)

Beschluss vom 07.05.2015, Aktenzeichen 20 W 371/13