06.07.2016: Bundesverfassungsgericht: Wohnungsräumung trotz andauernder Suizidgefahr?

Im vorliegenden Fall sollte nicht eine Mieterin zwangsgeräumt werden, sondern es sollte das Haus einer psychisch schwer kranken Schuldnerin zwangsversteigert werden. Die hierzu entwickelten Grundsätze werden aber auch im Miet- und Wohnungseigentumsrecht zu beachten sein. Das Verfassungsgericht tritt hier der Praxis der Vollstreckungsgerichte entgegen, die Versteigerung immer nur für einige Monate vorübergehend einzustellen. Es hat erklärt, dass im Falle einer “harten” Suizidalität, die gemäß ärztlichen Gutachten auch bis auf weiteres unheilbar sein dürfte, die Zwangsvollstreckung gegen die Selbstmordgefährdete auch auf Dauer eingestellt werden kann. Ob das im konkreten Fall so geschehen muss, hängt einerseits davon ab, wie der Schuldnerin anderweitig geholfen werden kann, aber auch davon, ob die Rechte des Gläubigers auch nach vielen Jahren Verzögerung noch verwirklicht werden können, oder ob er seine Rechte durch die dauerhafte Verfahrenseinstellung mutmaßlich verliert.
Da die Rechte eines Vermieters gegen seinen suizidalen Mieter-Schuldner durch dauerhafte Verfahrenseinstellung verloren zu gehen drohen, dürfte der suizidale Mieter aus dieser Entscheidung gegen den Vermieter keine entscheidenden Rechte herleiten können. Missbräuchlich nur behaupteter Suizidalität leistet diese Entscheidung erst recht keinen Vorschub.

BVerfG, Beschluss vom 06.07.2016, Aktenzeichen 2 BvR 548/16