02.08.2016: Landgericht Waldshut-Tiengen: Kein Anspruch auf Wertermittlung nach Eidesstattlicher Versicherung des Erben.

Weil ein Pflichtteilsberechtigter die Höhe seines Anspruchs meist ohne Hilfe des Erben nicht berechnen kann, gibt ihm die Zivilprozessordnung das Recht, seine Forderung zunächst unbeziffert zu erheben. Dazu muss er mit der Maßgabe klagen, der Erbe möge ihm erst Auskunft erteilen (und deren Richtigkeit gegebenenfalls an Eides Statt versichern), woraufhin er dann die Klageforderung beziffern werde, sog. Stufenklage. Der Pflichtteilsberechtigte hat auch einen Anspruch auf Wertermittlung: Grundsätzlich kann er für jeden Gegenstand des Nachlasses verlangen, dass der Erbe den Wert sachverständig ermitteln lässt. Darüber, wie sich dieser Wertermittlungsanspruch in das System der Stufenklage einfügt, herrscht noch Unklarheit. Einerseits wird behauptet, der Wertermittlungsanspruch sei auch ein Auskunftsanspruch; andererseits kann der Wertermittlungsanspruch oft erst erhoben werden, wenn nach erteilter Auskunft bekannt ist, dass ein bestimmter Gegenstand zum Nachlass gehört. Das Landgericht Waldshut hat nun entschieden, dass ein Wertermittlungsanspruch im Rahmen einer laufenden Stufenklage nicht mehr geltend gemacht werden könne, wenn der Kläger zuvor bereits verlangt habe, dass ihm die Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides Statt versichert wird. Eine “Rückkehr” von der “zweiten auf die erste Stufe” sei dem Kläger nicht gestattet. Der klagende Pflichtteilsberechtigte muss also aufpassen: Hat er erst durch die Auskunft von einem Gegenstand (meist einem Grundstück) erfahren, so muss er die Wertvermittlung fordern, bevor er die “zweite Stufe” startet (die Klage auf Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung). Hat er dies versäumt, muss er die Wertermittlung separat einklagen.
Dass das Landgericht hier allerdings noch weiter gegangen ist und die Klage auf ihrer dritten Stufe abgewiesen hat, obwohl der Kläger noch gar keine Zahlung verlangt hatte, erscheint fragwürdig. Das Gericht hat also über einen Antrag entschieden, den der Kläger gar nicht gestellt hatte. Richtig wäre gewesen, den Wertermittlungsantrag als unzulässig abzuweisen. Damit wäre die dritte Stufe weiterhin offen geblieben.

LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 02.08.2016, Aktenzeichen 1 O 91/13