25.08.2016: Landgericht Düsseldorf: Sorge um psychisch krankes Kind als “lebzeitiges Eigeninteresse”?

Auch wer sich in einem Erbvertrag gebunden hat, kann zu Lebzeiten Dinge herschenken, wenn er selbst an dieser Schenkung ein Eigeninteresse hat. Anerkannt ist in diesem Zusammenhang, dass der alte Mensch ein Kind durch Schenkung einer Immobilie auch räumlich an sich binden möchte, damit sich das Kind auch künftig um ihn sorgen möge. Das Landgericht Düsseldorf hatte nun den sehr speziellen Fall zu lösen, in dem das Kind ein psychisch kranker Sohn war und die Mutter ihm eine Immobilie geschenkt hatte, um – noch zu Lebzeiten ihres Ehemannes – die “Mutter-Sohn-Beziehung” zu festigen. Es stand also im Raum, dass die Mutter sich möglicherweise mehr um den Sohn zu kümmern gedachte als umgekehrt. Die Frage war, ob dieses – vordergründig – fremdnützige Anliegen der Mutter als ihr “Eigeninteresse” angesehen werden konnte. Das Gericht hat anscheinend geahnt, dass das Gelände vermint ist und zuweilen auch in fremdnützig erscheinender Sorge der Mutter ein Eigeninteresse verborgen sein kann, insbesondere, wenn ausdrücklich von einer Festigung der “Mutter-Sohn-Beziehung” die Rede ist, und sogar dann, wenn der Sohn (bereits?) psychisch krank ist. Es hat daher großzügig erklärt, das Interesse einer Mutter an räumlicher Nähe zu einem Kind sei in jedem Falle als Eigeninteresse anzuerkennen, unabhängig davon, wer eigentlich wem zu helfen gedenke.

LG Düsseldorf, Urteil vom 25.08.2016, Aktenzeichen 1 O 410/15

24.08.2016: Bundesgerichtshof: (Fast) kein Pardon bei der Schonfristzahlung!

Wer eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs erhalten hat, kann seine Verpflichtungen innerhalb von zwei Monaten nach Erhebung der Räumungsklage nach-erfüllen und damit die Kündigung aus der Welt schaffen. Dazu muss er seine Verpflichtungen allerdings vollständig erfüllen. Bleiben nach der Nachzahlung immer noch Rückstände, bleibt die Kündigung wirksam. Ein Hintertürchen lässt der BGH aber offen: Er weist darauf hin, dass der Rückstand hier noch 921 Euro betrug. Soll heißen: wenn er nur 29,10 Euro betragen hätte, wäre der Senat womöglich großzügiger gewesen.

BGH, Urteil vom 24.08.2016, Aktenzeichen VIII ZR 261/15

04.08./31.08.2016: Oberlandesgericht München: Umschreibung einer Immobilie auf einen Alleinerben aufgrund transmortaler Vollmacht

Wurde der Alleinerbe nicht durch notarielles Testament, sondern nur durch selbst geschriebenes “privatschriftliches” Testament eingesetzt, so kann er eine Immobilie des Verstorbenen nur dann auf sich umschreiben lassen, wenn er zuvor ein Erbscheinsverfahren durchlaufen hat. Erst wenn er so seine Erbenstellung nachweisen kann, muss das Grundbuchamt tätig werden.
Die Frage ist, ob es auch ohne Erbschein geht, wenn der Verstorbene dem Alleinerben eine notariell beurkundeter Generalvollmacht erteilt hatte. Eigentlich erlischt die Generalvollmacht automatisch, wenn der Inhaber der Vollmacht den Vollmachtgeber beerbt. Dann ist eine Vertretung nicht mehr möglich, weil alle Rechte des Verstorbenen nun dem Erben gehören. Die Frage kann also nur sein, ob die Vollmacht trotz ihres Erlöschens noch Wirkungen gegenüber dem Grundbuchamt hat.
Das OLG München hat hier in zwei sehr ähnlichen Fällen unterschiedlich entschieden: Weiß das Grundbuchamt, dass der Antragsteller Alleinerbe ist und somit die Vollmacht erloschen ist, so bedarf es des Erbscheinsverfahrens. Behauptet der Antragsteller nur, Alleinerbe zu sein, ohne dass dies auch für das Grundbuchamt ersichtlich ist, so muss das Grundbuchamt aufgrund der Vollmacht tätig werden – auch ohne Erbschein.

OLG München, Beschlüsse vom 04.08.2016 und 31.08.2016, Aktenzeichen 34 Wx 110/16 und 34 Wx 273/16

02.08.2016: Landgericht Waldshut-Tiengen: Kein Anspruch auf Wertermittlung nach Eidesstattlicher Versicherung des Erben.

Weil ein Pflichtteilsberechtigter die Höhe seines Anspruchs meist ohne Hilfe des Erben nicht berechnen kann, gibt ihm die Zivilprozessordnung das Recht, seine Forderung zunächst unbeziffert zu erheben. Dazu muss er mit der Maßgabe klagen, der Erbe möge ihm erst Auskunft erteilen (und deren Richtigkeit gegebenenfalls an Eides Statt versichern), woraufhin er dann die Klageforderung beziffern werde, sog. Stufenklage. Der Pflichtteilsberechtigte hat auch einen Anspruch auf Wertermittlung: Grundsätzlich kann er für jeden Gegenstand des Nachlasses verlangen, dass der Erbe den Wert sachverständig ermitteln lässt. Darüber, wie sich dieser Wertermittlungsanspruch in das System der Stufenklage einfügt, herrscht noch Unklarheit. Einerseits wird behauptet, der Wertermittlungsanspruch sei auch ein Auskunftsanspruch; andererseits kann der Wertermittlungsanspruch oft erst erhoben werden, wenn nach erteilter Auskunft bekannt ist, dass ein bestimmter Gegenstand zum Nachlass gehört. Das Landgericht Waldshut hat nun entschieden, dass ein Wertermittlungsanspruch im Rahmen einer laufenden Stufenklage nicht mehr geltend gemacht werden könne, wenn der Kläger zuvor bereits verlangt habe, dass ihm die Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides Statt versichert wird. Eine “Rückkehr” von der “zweiten auf die erste Stufe” sei dem Kläger nicht gestattet. Der klagende Pflichtteilsberechtigte muss also aufpassen: Hat er erst durch die Auskunft von einem Gegenstand (meist einem Grundstück) erfahren, so muss er die Wertvermittlung fordern, bevor er die “zweite Stufe” startet (die Klage auf Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung). Hat er dies versäumt, muss er die Wertermittlung separat einklagen.
Dass das Landgericht hier allerdings noch weiter gegangen ist und die Klage auf ihrer dritten Stufe abgewiesen hat, obwohl der Kläger noch gar keine Zahlung verlangt hatte, erscheint fragwürdig. Das Gericht hat also über einen Antrag entschieden, den der Kläger gar nicht gestellt hatte. Richtig wäre gewesen, den Wertermittlungsantrag als unzulässig abzuweisen. Damit wäre die dritte Stufe weiterhin offen geblieben.

LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 02.08.2016, Aktenzeichen 1 O 91/13

22.07.2016: Oberlandesgericht Frankfurt: Fristlose Kündigung eines Heimplatzes

Das Anmieten eines Heimplatzes zur stationären Pflege ist im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) geregelt. Ähnlich einem normalen Mietvertrag kann das Heim auch einen solchen Heimplatzvertrag kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Liegt der Grund beim Heimbewohner, so ist eine Kündigung möglich, wenn der Heimbewohner das Personal oder die Mitbewohner schuldhaft terrorisiert. In der Regel liegt aggressivem Verhalten der Bewohner oder Schreiattacken aber eine demenzielle Veränderung des Gehirns zugrunde; die Belastungen der Mitmenschen beruhen damit nicht auf einem Verschulden des Kranken. Für das Oberlandesgericht Frankfurt kommt eine Kündigung trotzdem in Frage: wenn nämlich dem Heim die Erkrankung, die zu dem Fehlverhalten geführt hat, beim Abschluss des Heimvertrags verschwiegen worden sei.

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.07.2016, Aktenzeichen 8 W  38/16

21.07.2016: Landgericht Essen: Defektes Internet berechtigt zu 10% Mietminderung

Die Miete ist kraft Gesetzes um 10% gemindert, wenn die Festnetzleitung für Telefon und Internet defekt ist, unabhängig davon, wo der Fehler liegt und ob der Vermieter diesen verursacht hat. Die gesetzliche Minderung beruht allein auf der geminderten Gebrauchsfähigkeit der Wohnung.
Dagegen kann der Mieter – anders als sonst bei Mietmängeln – keine Reparatur verlangen: Diese liegt gemäß Telekommunikationsgesetz in der Hoheit des Netzbetreibers, insbesondere der Deutschen Telekom.

LG Essen, Urteil vom 21.07.2016, Aktenzeichen 10 S 43/16

21.07.2016: Bundesverfassungsgericht: Bestellerprinzip beim Maklerauftrag ist verfassungsmäßig.

Der Bundestag hatte im vergangenen Jahr eine Neuregelung des Maklerrechts verabschiedet, wonach Mietinteressenten künftig nur dann noch zu Maklergebühren herangezogen werden können, wenn sie selbst den Makler engagiert hatten. Bis dahin war es verbreitete Praxis gewesen, dass Makler bei Vermietern damit warben, die eigentlich vom Vermieter zu zahlende Courtage auf den Mieter abzuwälzen.
Gegen das neue Gesetz hatten zwei Makler in “Karlsruhe” geklagt; Ihre Verfassungsbeschwerde wurde nun abgewiesen.

BVerfG, Beschluss vom 21.07.2016, Aktenzeichen 1 BvR 1015/15

20.07.2016: Bundesgerichtshof: Vorsicht bei Kautionssparbüchern aus beendeten Mietverhältnissen

Zum einen muss der ausgezogene Mieter beachten: Er kann auf Rückgabe des Sparbuchs erst und nur dann klagen, wenn der Vermieter gegen ihn keine offenen Forderungen mehr hat.
Aber vor allem muss der Vermieter aufpassen: Offene Forderungen aus Betriebskostennachzahlungen verjährten nämlich am Ende des dritten Jahres nach Rechnungstellung – und das Vorhandensein des Sparbuchs ändert nichts am Verjährungsbeginn.
Bewegt sich also nach Auszug des Mieters keine der beiden Seiten, gewinnt der Mieter, wenn er dem Vermieter noch etwas schuldig war, durch reinen Zeitablauf als erster: der Vermieter verliert seine noch offenen Forderungen. Erst mit deren Verlust kann der Mieter sein Sparbuch zurück verlangen. Seine darauf gerichtete Forderung verjährt erst drei Jahre später.

BGH, Urteil vom 20.07.2016, Aktenzeichen VIII ZR 263/14

13.07.2016: Bundesgerichtshof: Vermieter kann sich mit seiner Kündigung Zeit lassen

Der Vermieter einer Wohnung kann, wenn der Mieter mit der zweiten Monatsmiete in Verzug ist, fristlos kündigen. Nicht geregelt ist, wieviel Zeit er sich mit der Kündigung lassen kann. Der Bundesgerichtshof sagt, es gebe keine zeitliche Einschränkung, insbesondere nicht aufgrund von § 314 Absatz 3 BGB, der für Mietverhältnisse nicht gelte. Anderenfalls würden sich auch gutwillige Vermieter genötigt fühlen, eine Kündigung möglichst rasch auszusprechen, was den Zielen des Gesetzes zuwider liefe. Einschränkungen unterliege der Vermieter nur insoweit, als er sein Kündigungsrecht womöglich verwirkt hat – wenn er nämlich bei dem Mieter den Eindruck erweckt hat, auf seinem Kündigungsrecht nicht bestehen zu wollen.

BGH, Urteil vom 13.07.2016, Aktenzeichen VIII ZR 296/15

12.07.2016: Oberlandesgericht Hamm: Zur Urkundenfälschung bei unterschobenen Testamenten

Wer einem Sterbenden einen selbst geschriebenen Text unterschiebt mit der Bitte, der Sterbende möge unterschreiben, begeht keine Urkundenfälschung. Die auf diese Weise versuchte Erbeinsetzung scheitert zwar, wenn anhand der verschiedenen Handschriften ersichtlich ist, dass das Testament nicht von dem Sterbenden herrührte. Der Urheber des Testamentstextes verliert aber nicht außerdem noch sein Pflichtteilsrecht, wie dies bei Urkundenfälschungen gesetzlich angeordnet ist.

OLG Hamm, Urteil vom 12.07.2016, Aktenzeichen 10 U 83/15

06.07.2016: Bundesgerichtshof: Verschärfte Anforderungen an die Patientenverfügung

Steht in einer Patientenverfügung lediglich, man wünsche keine “lebenserhaltenden Maßnahmen”, so ist allein daraus noch nicht der Wille zu erkennen, keine Ernährung über eine Magensonde zu wollen. Erst recht, so der BGH, sei darin kein Wille zu erkennen, dass eine schon begonnene Ernährung über eine Magensonde wieder abgebrochen wird.
Verlangt ein Angehöriger unter Berufung auf eine Vollmacht, die ihm der Patient erteilt hatte, den Behandlungsabbruch, so kann die Behandlung nur abgebrochen werden, wenn der Aspekt der Lebensgefahr aufgrund des Abbruchs in der Vollmacht ausdrücklich erwähnt ist. Schlichte Generalvollmachten reichen insoweit nicht aus, wohl aber solche, wie sie seit Jahren typischerweise von Anwälten und Notaren für alte Menschen – oft zusammen mit einer Patientenverfügung – aufgesetzt werden.
Ein amtlich bestellter Betreuer zur Überwachung des Bevollmächtigten (ein sogenannter Kontrollbetreuer) kann laut dem BGH nur eingesetzt werden, wenn offenkundig sei, dass der Bevollmächtigte dem Willen des Patienten zuwider handelt. Nicht selbst bevollmächtigte Familienmitglieder haben damit kaum eine Chance einem befürchteten Fehlgebrauch der Vollmacht seitens des Bevollmächtigten zu begegnen.

BGH, Beschluss vom 06.07.2016, Aktenzeichen XII ZB 61/16

06.07.2016: Bundesverfassungsgericht: Wohnungsräumung trotz andauernder Suizidgefahr?

Im vorliegenden Fall sollte nicht eine Mieterin zwangsgeräumt werden, sondern es sollte das Haus einer psychisch schwer kranken Schuldnerin zwangsversteigert werden. Die hierzu entwickelten Grundsätze werden aber auch im Miet- und Wohnungseigentumsrecht zu beachten sein. Das Verfassungsgericht tritt hier der Praxis der Vollstreckungsgerichte entgegen, die Versteigerung immer nur für einige Monate vorübergehend einzustellen. Es hat erklärt, dass im Falle einer “harten” Suizidalität, die gemäß ärztlichen Gutachten auch bis auf weiteres unheilbar sein dürfte, die Zwangsvollstreckung gegen die Selbstmordgefährdete auch auf Dauer eingestellt werden kann. Ob das im konkreten Fall so geschehen muss, hängt einerseits davon ab, wie der Schuldnerin anderweitig geholfen werden kann, aber auch davon, ob die Rechte des Gläubigers auch nach vielen Jahren Verzögerung noch verwirklicht werden können, oder ob er seine Rechte durch die dauerhafte Verfahrenseinstellung mutmaßlich verliert.
Da die Rechte eines Vermieters gegen seinen suizidalen Mieter-Schuldner durch dauerhafte Verfahrenseinstellung verloren zu gehen drohen, dürfte der suizidale Mieter aus dieser Entscheidung gegen den Vermieter keine entscheidenden Rechte herleiten können. Missbräuchlich nur behaupteter Suizidalität leistet diese Entscheidung erst recht keinen Vorschub.

BVerfG, Beschluss vom 06.07.2016, Aktenzeichen 2 BvR 548/16

29.06.2016: Bundesgerichtshof: Zehnjahresfrist läuft auch bei Schenkung unter Vorbehalt des Wohnrechts

Hat jemand einen Abkömmling (eher seltener: seinen Ehepartner) enterbt, und hat er zugleich in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod Gegenstände verschenkt, so kann der derart geprellte Abkömmling aus der Schenkung Pflichtteilsergänzungsansprüche berechnen.
Nun bedeutet “verschenkt” nicht ohne weiteres, dass der Schenker auch tatsächlich auf den Gegenstand verzichten muss. Womöglich überträgt er zwar das Eigentum jemand anderem, darf die Sache aber weiterhin nutzen. So war schon bisher in der Rechtsprechung geklärt, dass von einem Verschenken im Sinne obiger Zehnjahresfrist keine Rede sein kann, wenn jemand ein Grundstück unentgeltlich übereignet, sich daran aber einen Nießbrauch vorbehält. Denn der Nießbrauch erlaubt die umfassende Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks. Die Zehnjahresfrist beginnt im Falle einer solchermaßen entwerteten Schenkung also nicht zu laufen. Strittig ist die Lage aber in dem viel häufigeren Fall, dass der Schenker sich nicht einen Nießbrauch, sondern “nur” ein Wohnrecht vorbehält. Hier sind zahllose Varianten denkbar, wobei der Schenker mal mehr, mal weniger Verzicht leistet. Der BGH hat nun entschieden, dass im Normalfall eines vorbehaltenen Wohnungsrechts, wenn also der Schenker nur einen Teil des Wohnraums für sich reserviert, eine Schenkung vorliegt – und damit auch die Zehnjahresfrist zu laufen beginnt. Dabei ist die Einschränkung, die der Schenker damit hinnehmen muss, in der Praxis oft minimal, gerade wenn die alten Leute ohnehin nicht mehr viel Platz benötigen. Es soll laut dem BGH nicht einmal schaden, wenn die Schenker (meist Eltern) die “Kinderzimmer” im Obergeschoss trotzdem weiterhin nutzen – wenn nur das im Grundbuch eingetragene Wohnrecht sich auf das Erdgeschoss beschränkt. Die Übertragung eines solchen Hauses auf ein Kind – unter Vorbehalt eines derartigen Wohnrechts – ist also ein probates Mittel, ein enterbtes anderes Kind um dessen Pflichtteilsergänzungsansprüche zu bringen.

BGH, Urteil vom 29.06.2016, Aktenzeichen  IV ZR 474/15

29.06.2016: Bundesgerichtshof: Der beschwerte Erbe kann seine Annahmeerklärung anfechten, wenn er nicht wusste, dass er nur so den Pflichtteil bekommt.

§ 2306 BGB enthält eine wenig bekannte und auch in der Neufassung von 2010 wenig verstandene Regelung: Sie sichert demjenigen den Pflichtteil, der zwar als Erbe eingesetzt wurde, aber mit derartigen Beschränkungen, dass sein Erbe womöglich weniger wert ist als es der Pflichtteil gewesen wäre. Diese Regelung sieht – zwar systemkonform, aber der Intuition widersprechend – vor, dass, wer seinen Pflichtteil retten will, das Erbe ausschlagen muss.
Der BGH ist großzügig und gestattet demjenigen, der diese Vorschrift nicht kannte oder nicht verstanden hatte, auch nach Annahme seiner Erbschaft diese noch auszuschlagen und damit den Pflichtteil verlangen zu können.

BGH, Urteil vom 29.06.2016, Aktenzeichen IV ZR 387/15

29.06.2016: Landgericht Hamburg: Keine nachträgliche Genehmigung ungenehmigter Umbauten.

Nach Auffassung des LG Hamburg kann es nur in Ausnahmefällen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn bauliche Änderungen, die zunächst ohne Beschluss durchgeführt worden waren, nachträglich genehmigt werden. Im vorliegenden Fall scheint freilich eine andere Entscheidung auch gar nicht denkbar, weil der Genehmigung die Zustimmung aller betroffenen Eigentümer fehlte. Diese Zustimmung muss aber in jedem Fall vorliegen, egal ob die Maßnahme vorher beschlossen oder im Nachhinein genehmigt wird.

LG Hamburg, Urteil vom 29.06.2016, Aktenzeichen 318 S 102/15

24.06.2016: Landgericht Dortmund: freiwillige Inhalte der Jahresabrechnung

Enthält die Jahresabrechnung nach Aussage des Verwalters Teile, die nicht notwendig wären, zum Beispiel eine Übersicht über die Rückstände der einzelnen Wohnungseigentümer, so muss dieser freiwillige Teil zum einen fehlerfrei sein, zum anderen bei der Beschlussfassung auch allen Eigentümern vorliegen.
Anderernfalls ist die Jahresabrechnung auch dann mit Erfolg anfechtbar, wenn sie ansonsten vollständig und fehlerfrei ist.

LG Dortmund, Urteil vom 24.06.2017, Aktenzeichen 17 S 282/15

23.06.2016: Bundesgerichtshof: Vollständigkeit der Belege gehört zur Jahresabrechnung

Erstellt der Verwalter eine Jahresabrechnung für ein Geschäftsjahr, in welchem er bereits Verwalter war, so hat er nicht nur die Belege auszuwerten, sondern auch für deren Vollständigkeit und Richtigkeit einzustehen. Insoweit handelt es sich um eine höchstpersönliche Pflicht, die auch im Falle der Zwangsvollstreckung nur von ihm und keinem Ersatz-Verwalter erfüllt werden kann. Nur in dem selteneren Fall, dass ein Verwalter über das Geschäftsjahr, in welchem er sein Amt erst angetreten hat – und daher zum Teil über eine Periode abrechnet, in welcher sein Vorgänger Verwalter war – beschränkt sich die Pflicht auf die reine Belegauswertung bzw. Rechnungsaufstellung.

BGH, Beschluss vom 23.06.2016, Aktenzeichen I ZB 5/16

17.06.2016: Landgericht Bonn: Vertragserben gegen beschenkte Pflichtteilsberechtigte

Eine noch weitgehend ungelöste Konstellation entsteht, wenn im Anschluss an einen Erbvertrag der künftige Erblasser einer Person etwas schenkt, die laut Vertrag gerade nicht erbberechtigt ist, aber einen Pflichtteilsanspruch hat.
Der Klassiker: als Erben sind die gemeinsamen Kinder eingesetzt; nach Tod der Mutter heiratet der Vater aber wieder. Nun ist es dem Vater  vertragsgemäß untersagt, seine neue Frau als Erbin einzusetzen, und eigentlich ist es ihm (in gewissen Grenzen) auch untersagt, ihr größere Dinge zu schenken, falls dies die Vertragserben beeinträchtigt. Nun ist es nicht hinreichend geklärt, ob eine Schenkung die Vertragserben womöglich deshalb nicht beeinträchtigt, weil die Schenkung in etwa den Wert des späteren Pflichtteilsanspruchs hat und die Vertragserben diesen Anspruch ohnehin erfüllen müssten. Der Teufel sitzt aber im Detail, und fast nie entspricht die Schenkung wertmäßig dem Pflichtteilsanspruch. Im übrigen ist der Pflichtteilsanspruch nur auf Geld gerichtet, der Herausgabeanspruch, den die Kinder (die Vertragserben) dereinst geltend machen könnten, wäre aber auf die Rückgabe des Geschenks gerichtet, etwa eine Immobilie, zum Beispiel das Elternhaus der Kinder, das diese auch gegen Geld nicht gern aufgegeben hätten. Vor allem ist unklar, was mit dem Pflichtteilsanspruch der neuen Frau passierte, wenn ein Gericht den Herausgabeanspruch der Kinder abwiese. Eine Abweisung der Klage der Kinder wäre ja nur zu rechtfertigen, wenn damit zugleich der Pflichtteilsanspruch der Stiefmutter erledigt wäre. Der Bundesgerichtshof hatte bisher eine solche einheitliche Lösung verfochten, ohne aber zu erklären, wie eine Aufrechnung funktionieren könnte, ohne dass die Stiefmutter ihr Pflichtteilsrecht überhaupt geltend gemacht hat.
Das Landgericht Bonn dreht daher nun den Spieß um: Da der Pflichtteil der Stiefmutter durch den Prozess nicht beeinträchtigt sei, insbesondere eine Aufrechnung von Pflichtteil und Schenkung unmöglich sei, habe die Schenkung an die Stiefmutter die Kinder sehr wohl beeinträchtigt. Es sei ja zu gewärtigen, dass die Stiefmutter die Schenkung behält und später noch ihren Pflichtteil geltend macht. Also könnten die Kinder den geschenkten Gegenstand herausverlangen. Der Stiefmutter sei es unbenommen, anschließend oder daneben ihren Pflichtteil zu verlangen. Für die Praxis bedeutete dies eine Erleichterung, wenn es sich nur durchgesetzt hätte. Bis dahin ist die Rechtsposition der Kinder nicht beneidenswert: Solange die Rechtsprechung des BGH noch besteht, laufen sie Gefahr, dass das für sie zuständige Gericht den Herausgabeanspruch im Hinblick auf den Pflichtteil zurückweist – ohne der Stiefmutter zugleich ihren Pflichtteilsanspruch zu entwinden. Dann stehen die Kinder mit leeren Händen da, müssen immense Prozesskosten bezahlen und dann womöglich noch den Pflichtteil.

LG Bonn, Urteil vom 17.06.2016, Aktenzeichen 1 O 388/14

16.06.2016: Oberlandesgericht Bamberg: Zur Sorgfalt des Notars bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses für einen Pflichtteilsberechtigten

Der Pflichtteilsberechtigte hat gegen den Erben einen Anspruch auf Auskunft über den Nachlass. Er kann auch verlangen, dass das Nachlassverzeichnis von einem Notar aufgenommen wird. Dabei geht es aber nicht darum, dass der Notar die Erklärungen des Erben beurkunden soll, sondern dass der Inhalt der Erklärungen aussagekräftiger werden soll als es eine Auskunft des Erben selbst wäre. Bisher ist das Problem ungelöst, wie der Notar mit einem Erben umzugehen hat, der nur unzureichend zur Aufklärung beiträgt. Das OLG Bamberg stellt immerhin fest, dass der Notar sich nicht darauf beschränken darf, Angaben des Erben zu Papier zu bringen und im übrigen zu erklären, weitere Nachlassgegenstände existierten nicht. Er habe den Erben einer eindringlichen Befragung zu unterwerfen und dabei auf alle offensichtlichen Widersprüche und naheliegenden Zweifel einzugehen. Er habe den Erben auch aufzufordern, Belege zu besorgen. All das ist aber zunächst nicht mehr als der Hinweis an den Notar, dass er ordentlich zu arbeiten habe. Ob dem Pflichtteilsberechtigten damit gegen einen Erben geholfen ist, der erklärt, nicht mehr zu wissen und auch nicht verpflichtet sei, Belege zu beschaffen, steht leider auf einem anderen Blatt.

OLG Bamberg, Beschluss vom 16.06.2016, Aktenzeichen 4 W 42/16

15.06.2016: Bundesfinanzhof: Abfindungszahlung an weichenden Erben ist steuerlich abzugsfähig.

Zahlt ein Erbe an einen Konkurrenten, der ebenfalls behauptet, Erbe zu sein (“Erbprätendent”), einen Betrag, damit letzterer seine Ambitionen aufgibt, so kann der Erbe die Zahlung als Nachlassverbindlichkeit von seinem Erbe abziehen. Seine Erbschaftsteuerpflicht reduziert sich entsprechend.
Achtung: der andere muss deshalb das erlangte Geld keineswegs versteuern (BFH 4.5.2011, II R 34/09, BFHE 233, 184). Dieser Abfindungsbetrag entgeht dem Fiskus endgültig.

BFH, Urteil vom 15.06.2016, Aktenzeichen II R 24/15

25.05.2016: Bundesgerichtshof: Zur Anfechtung gemeinschaftlicher Testamente durch die Kinder.

Auch gemeinschaftliche Testamente können anfechtbar sein, in der Praxis vor allem wegen sogenannter Motivirrtümer: Man hatte sich in diesem oder jeden Umstand oder in diesem oder jenen Menschen getäuscht. Zur Anfechtung kann der überlebende Ehegatte berechtigt sein, aber auch ein anderer, der von der Anfechtung profitieren würde, vor allem ein Kind der beiden. Zeitliche Grenzen für die Anfechtung bestimmt das Gesetz nicht. Aber es bestand Unsicherheit darüber, ob zeitliche Grenzen, die im Recht des Erbvertrags bestimmt sind, auch auf die Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments anzuwenden sind. So muss bei Erbvertrag der Vertragspartner innerhalb eines Jahres anfechten, und der Dritte kann ebenfalls nicht mehr anfechten, wenn der Vertragspartner die Jahresfrist hat verstreichen lassen. Der BGH hat nun entschieden, dass der Ehegatte innerhalb eines Jahres anfechten müsste, dass aber die Kinder auch dann noch anfechten können, wenn die Eltern die Frist haben verstreichen lassen.

BGH, Urteil vom 25.05.2016, Aktenzeichen IV ZR 205/15

19.05.2016: Kammergericht: Schriftformklausel schützt nicht vor unbedachter mündlicher Vertragsänderung

Mietverträge bedürfen immer dann der Schriftform, wenn sie fest auf länger als ein Jahr abgeschlossen werden. Verträge, die dem nicht genügen, können von beiden Seitenunter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden. Auch Änderungen eines schon laufenden Vertrags bedürfen dieser Schriftform. Nun enthalten viele Verträge eine standardmäßige Schriftformklausel, nach der alles, was nicht schriftlich festgehalten sei, ungültig sei. Schon seit Jahren mehren sich die Stimmen derer, die solche Klauseln für ungültig halten; nun hat auch das Kammergericht seine Meinung geändert und macht die Schriftformklausel damit wirkungslos. Der hier zu beurteilende Vertrag enthielt zudem auch eine Schriftformheilungsklausel, wonach die Vertragsparteien gehalten seien, einen Schriftformmangel nachträglich zu heilen, indem die schriftliche Fixierung nachgeholt wird. Auch diese Klausel hält das KG für wirkungslos. Das Ergebnis ist freilich ambivalent: zwar gilt das nachträglich zwischen den Vertragsparteien Ausgehandelte, auch ohne dass darüber eine Urkunde erstellt wird. Aber der auf längere Zeit abgeschlossene Mietvertrag wird auch beiderseits frei kündbar.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

KG, Urteil vom 19.05.2016, 8 U 207/15

17.05.2016: Oberlandesgericht Koblenz: keine Prozesspflegschaft bei bestehender Vorsorgevollmacht.

Die gültige Vorsorgevollmacht steht im Falle eines Prozesses einer gesetzlichen Vertretung gleich. Die Bestellung eines Prozesspflegers, wie sie sonst für geschäftsunfähige Prozessbeteiligte üblich ist, erübrigt sich damit (§ 51 Absatz 3 ZPO). Das bedeutet für jemanden, der einen Geschäftsunfähigen verklagen will, dass er sich, falls er von der Vollmacht weiß, erkundigen muss, ob die Vollmacht den gesetzlichen Vorgaben für die Vorsorgevollmacht (§ 1896 Abs.2 S.2 BGB) entspricht. Anderenfalls wird sein Antrag auf Anordnung von Prozesspflegschaft zurückgewiesen.

OLG Koblenz, Beschluss vom 17.05.2016, Aktenzeichen 5 W 232/16

12.05.2016: Bundesgerichtshof: Schutz des Vorkaufsberechtigten gegen unüblich hohen Maklerlohn

Wer – aus welchem Rechtsgrund auch immer – vorkaufsberechtigt ist, hat, wenn er das Vorkaufsrecht ausübt, alle Bedingungen zu erfüllen, die in dem Kaufvertrag vereinbart worden sind. Dazu zählt auch eine Maklercourtage, die erst in dem Kaufvertrag vereinbart worden ist. Der BGH verwahrt sich jetzt aber ausdrücklich dagegen, dem Vorkaufsberechtigten auch solche Maklergebühren zu überbürden, die unüblich hoch sind. Dafür, was üblich ist, komme es auf die regionalen Gepflogenheiten an; in Südbaden wären dies 3% vom Kaufpreis zuzüglich Mehrwertsteuer. Hatten Verkäufer und Käufer eine höhere Courtage vereinbart, bekommt der Makler – wenn das Vorkaufsrecht ausgeübt wird – von dem Vorkaufsberechtigten keinerlei Geld.

BGH, Urteil vom 12.05.2016, Aktenzeichen I ZR 5/15

10.05.2016: Landgericht Hamburg: Zustellung einer Kündigung an einen Geschäftsunfähigen

Das Gericht stellt fest, dass Regelungen in einem vorgedruckten Mietvertrag, wonach ein Mieter den jeweils anderen bevollmächtigt, für ihn Kündigungen entgegenzunehmen, wirksam sind.
Im übrigen könne die Kündigung auch dann wirksam zugehen, wenn sie einem Generalbevollmächtigten des Mieters zugeht. Wichtig ist dabei nur, dass der Mieter zu der Zeit, als er die Generalvollmacht erteilte, noch geschäftsfähig war. Die Entscheidung wurde hier für eine notarielle Generalvollmacht erteilt. Der Begründung ist aber nicht zu entnehmen, dass das Gericht bei einer privatschriftlichen Urkunde anders entschieden hätte.

LG Hamburg, Urteil vom 10.05.2016, Aktenzeichen 316 S 80/15

10.05.2016: Bundesgerichtshof: Vorgetäuschter Eigenbedarf bei Verkaufsabsicht

Ein vorgetäuschter Eigenbedarf liegt möglicherweise auch dann vor, wenn zwar nach Auszug der Mieter die in der Kündigung benannte Person einzieht, die laut dem Vermieter einziehen sollte, wenn aber diese Person alsbald wieder auszieht und das Gebäude entmietet verkauft wird. Insbesondere liegt eine Täuschung dann vor, wenn der Vermieter schon im Moment der Kündigung seines Mieters die Absicht verfolgte, das Gebäude lediglich zwecks besseren Verkaufs zu entmieten, und wenn er dabei Grund zu der Annahme hatte, dass sein “Strohmann” (der zwischenzeitlich einzog), leichter als ein normaler Mieter zum Auszug bewegt werden könnte.
Der frühere Mieter kann auch dann auf Schadensersatz klagen, wenn er sich mit seinem Vermieter in einen gerichtlichen Räumungsvergleich auf einen Auszug geeinigt hatte. Denn der normale Räumungsvergleich enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass er auch für den Fall Gültigkeit haben sollte, dass der Vermieter den Mieter arglistig getäuscht hat.

BGH, Beschluss vom 10.05.2016, Aktenzeichen VIII ZR 214/15

10.05.2016: Amtsgericht Hannover: Einbehalt der Kaution wegen verjährter Betriebskostennachforderung

Hat der Vermieter einen Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten verjähren lassen, so kann er ihn trotz Verjährung bei der späteren Auskehrung der Kaution an den Mieter in Abzug bringen. Beim verpfändeten Sparbuch ergibt sich das schon aus dem Gesetz (§ 216 BGB); bei der Barkaution könne nach Meinung des Amtsgerichts nichts anderes gelten.

AG Hannover, Urteil vom 10.05.2016, Aktenzeichen 501 C 12374/15

03.05.2016: Amtsgericht Köln: Kosten für Neuverfliesung bei Anbringung von Zählern nicht zu berücksichtigen

Der Vermieter ist von der Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten nach Verbrauch dann freigestellt, wenn die Anbringung der Zähler unverhältnismäßig teuer ist. Dabei zählt aber nur die Installation der Zähler und der Rohre, nicht aber die nötige Neuverfliesung eines Bades.

Amtsgericht Köln, Urteil vom 03.05.2016, Aktenzeichen 219 C 352/15

25.04.2016: Oberlandesgericht Düsseldorf: Zur Rückforderung gezahlter Nebenkosten

Hat der Mieter Vorauszahlungen auf die Nebenkosten geleistet, der Vermieter aber nur fehlerhafte Abrechnungen erstellt, kann der Mieter entweder
– die kompletten Vorauszahlungen zurückverlangen (das setzt aber voraus, dass die Abrechnungen schon von der Form her so mangelhaft sind, dass sie gar nicht als Nebenkostenabrechnung angesehen werden können) oder aber
– die Beträge zurückverlangen, die nach Meinung des Mieters zuviel abgerechnet wurden (das setzt voraus, dass überhaupt abgerechnet wurde – in einer Form, die als Nebenkostenabrechnung anerkannt werden kann. Es setzt ferner voraus, dass der Mieter – gegebenenfalls nach Einsicht in die Belege – eine aus seiner Sicht richtigere Abrechnung des vermeintlich falsch berechneten Postens vorlegt).
Das OLG Düsseldorf erläutert, dass der Mieter auch beide Formen der Rückforderung kombinieren kann, wenn er sich nicht sicher ist, ob die vom Vermieter vorgelegten Abrechnungen formal noch als Nebenkostenabrechnung angesehen werden können oder nicht. Er kann dann im Hauptantrag Variante 1 verfolgen und Variante 2 per Hilfsantrag (“für den Fall, dass das Gericht Variante 1 für unbegründet hält, fordere ich Geld gemäß Variante 2″).
Das Gericht verurteilt daher einen Anwalt, der diese Zusammenhänge nicht beachtet hatte, zu Schadensersatz gegenüber seinem früheren Mandanten.

OLG Düsseldort, Urteil vom 25.04.2016, Aktenzeichen I-24 U 152/16

19.04.2016: Landgericht Frankfurt a.M.: Keine Kostenerstattung in der “Zweier-WEG”

Besteht eine WEG nur aus zwei Parteien, und legt eine Partei Kosten für eine gemeinschaftliche Angelegenheit aus, so kann sie nicht von der anderen Partei Kostenerstattung verlangen. Und zwar kann sie weder Zahlung direkt an sich noch Zahlung auf ein WEG-Konto verlangen. Vielmehr gelten hier genauso wie sonst in der WEG die Regeln über die Willensbildung und die Kostentragung: es muss zunächst ein Beschluss gefasst werden – notfalls mit Beteiligung der Gerichte – und anschließend müssen die Kosten über die WEG beglichen werden.

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 19.04.2016, Aktenzeichen 2-13 S 204/13

14.04.2016: Landessozialgericht Baden-Württemberg: Grenzen der Sozialhilfe bei Beerdigungskosten

Grundsätzlich haben Bedürftige (Sozialhilfeempfänger) Anspruch auf Kostenerstattung für Beerdigungskosten (§ 74 SGB XII). Haben die Bedürftigen aber Verwandte, die ebenfalls bestattungspflichtig sind, kann der Anspruch entfallen: Der Bedürftige muss es wenigstens versuchen, die Verwandten zu den Beerdigungskosten heranzuziehen. Es kann nicht sein, dass der Staat die Beerdigung bezahlt, nur weil ein einziger Angehöriger Sozialhilfe (oder Hartz IV) bezieht.

LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.04.2016, Aktenzeichen L 7 SO 81/15

14.04.2016: Amtsgericht Hamburg: Keine Kündigung nach Strafanzeige des Mieters gegen den Vermieter.

Der Mieter, der gegen seinen Vermieter Strafanzeige erstattet, muss nicht befürchten, dafür eine fristlose Kündigung zu bekommen. Das gilt auch dann, wenn das Strafverfahren eingestellt wird und der Mieter nicht beweisen kann, dass der Vermieter die Tat begangen hat.
Anders ist es laut dem Amtsgericht Hamburg nur, wenn der Mieter wissentlich eine falsche Anzeige erstattet hat und der Vermieter das beweisen kann. In diesem Fall kann er dem Mieter auch fristlos kündigen.
Allerdings sehen das andere Gerichte anders; je nach Landgerichtsbezirk soll der Mieter beweisen müssen, dass sein Vorwurf zutrifft.

AG Hamburg, Urteil vom 14.04.2016, Aktenzeichen 42 C 61/15
LG Hamburg, Beschluss vom 28.06.2016, Aktenzeichen 311 S 34/16: rechtskräftig

08.04.2016: Bundesgerichtshof: Turnusregelung für die Gartennutzung

Die Wohnungseigentümer können als Gebrauchsregelung beschließen, dass der Garten im Turnus mal von diesem, mal von jenem Wohnungseigentümer benutzt werden darf – und die übrigen dann jeweils von der Benutzung ausgeschlossen sind. Dieser zeitweise Ausschluss ist kein Entzug des Mitgebrauchsrechts, sondern nur eine Einschränkung. Gleiches gilt auch für Wasch- und Trockenräume. Allerdings dürfe das Gericht keine Turnusregelung verfügen, die den Interessen aller Wohnungseigentümer zuwider läuft. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sich die Eigentümer nicht einigen können, ob im Garten Zier- oder Nutzpflanzen stehen sollen. Nicht äußert sich das Gericht zu der Fragen, ob die Turnusregelung auch die anteilmäßige Mitberechtigung der Eigentümer berücksichtigen muss: also der, der – in kleinen WEGs – deutlich mehr Miteigentumsanteile besitzt,  auch längere Nutzungszeiten bekommen muss.

BGH, Urteil vom 08.04.2016, Aktenzeichen V ZR 191/15

16.03.2016: Landgericht Lüneburg: Beschlussunzuständigkeit der WEG für faktische Sondernutzung

Der WEG ist es nicht möglich, Sondernutzungsrechte im Beschlusswege zu schaffen. Ein Sondernutzungsrecht kann nur durch Vereinbarung (= Vertrag aller Wohnungseigentümer) entstehen. Dasselbe gilt, wenn in einem Beschluss jemandem ein Recht eingeräumt werden soll, das zwar ausdrücklich nicht als Sondernutzungsrecht bezeichnet ist, tatsächlich aber ein Sondernutzungsrecht wäre: nämlich das Recht, eine bestimmte im Gemeinschaftseigentum stehende Anlage unter Ausschluss der übrigen Eigentümer zu benutzen. Dabei kann sich der Ausschluss der übrigen schon aus Anlagen ergeben, die der Nutzer aufstellen will (Tische, Theken usw.). Denn wo diese stehen, kann sonst niemand etwas tun.

LG Lüneburg, Urteil vom 16.03.2016, Aktenzeichen 9 S 64/15

10.03.2016: Oberlandesgericht Bremen: Bestellung des beurkundenden Notars zum Testamentsvollstrecker

Es ist dem Notar nicht gestattet, ein Testament zu beurkunden, in welchem er selbst zum Testamentsvollstrecker ernannt wird. Zulässig ist es aber, dem Notar, den man zum Testamentsvollstrecker ernennen will, nach der Testamentsbeurkundung, in welcher die Person des Testamentsvollstreckers einer gesonderten Verfügung vorbehalten wird, einen verschlossenen Umschlag mit handschriftlicher Einsetzung eben dieses Notars zu überreichen. Dieses sollte der Notar gesondert von dem beurkundeten Testament in Verwahrung geben; es schadet aber auch nicht, wenn sie in einem Briefumschlag zur Verwahrung gegeben werden. Damit korrigiert das OLG Bremen seine bisherige entgegengesetzte Rechtsprechung.

OLG Bremen, Beschluss vom 10.03.2016, Aktenzeichen 5 W 40/15

08.03.2016: Oberlandesgericht München: Präjudizielle Wirkung des Zivilurteils im Erbscheinsverfahren

Der Erbschein ist als jedermann gegenüber gültiges Legitimationspapier in vielen Erbfällen unerlässlich. Er ist aber immer nur eine vorläufige Bescheinigung, die jederzeit bei Auftauchen neuer Gesichtspunkte aufgehoben werden kann. Rechtskräftig werden kann nur ein Zivilurteil, das ein Erbanwärter gegen den anderen erstreitet. Besteht ein solches (letztinstanzliches) Zivilurteil, muss der Erbschein daran angepasst werden – auch dann, wenn es wahrscheinlich sachlich falsch ist (und der Erbschein richtig) und nur zum Beispiel wegen einer Fristversäumung nicht wirksam angefochten wurde. Das Nachlassgericht, das den Erbschein erteilt, kann sich also auch über ersichtliche falsche Urteile nicht hinwegsetzen. Die Bindungswirkung entfällt erst, wenn ein Grund für die Wiederaufnahme des Zivilverfahrens vorliegt, etwa wenn sich ein Testament zwischenzeitlich als Fälschung herausgestellt hat.

OLG München, Beschluss vom 08.03.2016, Aktenzeichen 31 Wx 386/15

Schon das OLG Frankfurt a.M. hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass auch ein Versäumnisurteil im Zivilprozess diese Bindungswirkung entfaltet (sc.: egal ob es sachlich richtig oder falsch ist)

Beschluss vom 07.05.2015, Aktenzeichen 20 W 371/13

08.03.2016: Oberlandesgericht Frankfurt a.M.: Anspruch auf Sondernutzungsrecht am Dachspitz

Baut der Eigentümer der obersten Wohnung im Haus den über ihm liegenden und nur durch seine Wohnung zugänglichen Dachspitz / Spitzboden zu Wohnräumen aus, kommt ein Gemeingebrauch an diesen Flächen nicht in Betracht, wenn die übrigen Eigentümer von dem Ausbau Kenntnis hatten und ihn gebilligt haben. In diesem Fall hat der Ausbauende einen Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung zu seinen Gunsten. Er kann zwar nicht verlangen, dass ihm Sondereigentum an diesen neuen Wohnräumen zugewiesen wird, wohl aber, dass ihm ein Sondernutzungsrecht eingeräumt wird. Dazu muss er Kosten und Lasten der neuen Wohnfläche anteilig übernehmen.

OLG Frankfurt, Urteil vom 08.03.2016, Aktenzeichen 6 U 23/15
Rechtskräftig: BGH, V ZR 95/16

26.02.2016: Bundesgerichtshof: Anspruch gegen die Miteigentümer auf Herstellung eines bauordnungsgemäßen Zustands

Alle Wohnungseigentümer sind einander verpflichtet, an der baurechtlichen Genehmigung des in der Teilungserklärung verlautbarten Zustands mitzuwirken. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Baubehörde gegen alle Wohnungseigentümer vorgehen könnte oder nur gegen einzelne. Das Gebäude ist erst endgültig hergestellt, wenn es auch baurechtlich zulässig ist.
Im konkreten Fall fehlte aus bauordnungsrechtlicher Sicht ein Stellplatz, weil das Haus aufgrund nachträglich geänderter Teilungserklärung über eine Wohnung mehr verfügte als in den Bauplänen vorgesehen war. Hier ist die Bereinigung nicht allein Sache desjenigen Wohnungseigentümers, dem der Stellplatz fehlt, sondern Pflicht aller Wohnungseigentümer. Sie haben die notwendigen Beschlüsse zu fassen, damit der Verwalter den fehlenden Stellplatz schaffen oder mit der Gemeinde einen Stellplatzablösevertrag schließen kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der fehlende Stellplatz auf eine Entscheidung des Bauträgers zurückgeht – und nicht auf die Entscheidung eines einzelnen Wohnungseigentümers.
Von dieser Konstellation zu unterscheiden ist diejenige, dass der in der Teilungserklärung verlautete Zustand auch baurechtlich genehmigt ist, das Gebäude aber tatsächlich anders ausgeführt wurde.

BGH, Urteil vom 26.02.2016; Aktenzeichen V ZR 250/14

 

24.02.2016: Oberlandesgericht Saarbrücken: Kosten des Erbscheinsverfahrens trägt nicht allein der Unterlegene.

Anders als im normalen Zivilprozess gibt es im Erbscheinsverfahren keine festen Regeln darüber, wer am Ende die Kosten trägt. Vielmehr hat das Gericht hierüber nach Billigkeit zu entscheiden. Das Oberlandesgericht Saarbrücken ist nun der Meinung, dass in Erbscheinsverfahren, in denen beide Seiten mit nachvollziehbaren Argumenten auftreten, die Kosten von beiden Seiten anteilig zu tragen seien. Wer obsiegt, hat danach keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24.02.2016, Aktenzeichen 5 W 44/15

23.02.2016: Bundesgerichtshof: Nachzahlung rückständiger Miete heilt manchmal auch die ordentliche Kündigung.

Der Mieter, der mit seiner Miete in Verzug ist, kann fristlos gekündigt werden, wenn sein Rückstand das in § 543 und 569 BGB erläuterte Maß überschritten hat. Der Mieter kann diese Kündigung zu Fall bringen, indem er die rückständige Miete innerhalb der sog. Schonfrist nachzahlt (Näheres in § 569 Abs.3 Nr.2). In vielen Fällen kündigt der Vermieter jedoch doppelt, wenn ein solcher Zahlungsverzug eingetreten ist: er kündigt fristlos – und daneben ordentlich, also unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Für diese zweite Kündigung gilt die Schonfrist nicht; der Mieter hat normalerweise keine Möglichkeit, aus der zweiten Kündigung herauszukommen. Der BGH lässt ihm jetzt eine Hintertür, indem er klarstellt, dass der Amtsrichter prüfen müsse, ob der Vermieter dadurch, dass er an der zweiten Kündigung trotz Zahlung aller Rückstände festhält, ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstößt. Im konkreten Fall hatder BGH die Auffassung durchgehen lassen, wonach ein Vermieter gegen Treu und Glauben verstößt, wenn der Mieter alsbald nach Erhalt der Doppelkündigung dafür sorgt, dass das Amt (jobcenter) die Miete nachzahlt, und wenn es sonst keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Mieter erneut in Verzug kommen könnte.

BGH, Beschlüsse vom 06.10.2015 und vom 23.2.2016, Aktenzeichen VIII ZR 321/14

16.02.2016: Bundesgerichtshof: Vertragliche Abrechnungsfristen können zahnlos sein!

Legt der Vermieter entgegen § 556 Absatz 3 BGB seine Nebenkostenabrechnung später als ein Jahr nach Ende des Abrechnungszeitraums vor, muss der Mieter nur zahlen, wenn der Vermieter die Verspätung genügend entschuldigt. Das gilt aber keineswegs auch für vertraglich vereinbarte Abrechnungsfristen. Werden also vertraglich andere Abrechnungsfristen als die des § 556 BGB vereinbart, so muss die Vereinbarung sorgfältig daraufhin untersucht werden, ob der Vermieter bei Verspätung kein Geld mehr verlangen könne, oder ob er lediglich – zum Beispiel – der Verpflichtung unterliegt, Vorauszahlungen zurückzuzahlen.

BGH, Urteil vom 16.02.2016, Aktenzeichen VIII ZR 152/15

12.02.2016: Oberlandesgericht Düsseldorf: Grabpflegekosten mindern den Pflichtteil auch dann nicht, wenn sie per Auflage den Erben auferlegt wurden.

Grundsätzlich mindern zwar Beerdigungskosten den Nachlass – und damit den Pflichtteil übergangener Erben. Das gilt aber nicht für Grabpflegekosten. Die Grabpflege ist nämlich nicht die Pflicht der Erben, sondern der Angehörigen (auch wenn diese nicht Erben sind). Das OLG Düsseldorf hat zu Recht klargestellt, dass das Ergebnis nicht anders ist, wenn die Grabpflegekosten im Wege der Auflage den Erben auferlegt werden. Denn die Auflage mindert – ebenso wenig wie das Vermächtnis – den Nachlass. Sie vermindert nur, was dem Erben nach Erfüllung aller Pflichten verbleibt.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.02.2016, Aktenzeichen I-7 U 3/15

04.02.2016: Amtsgericht Hersbruck: Fehlende Aufklärung über Legionellenbefall

Gab es im Haus nachgewiesenermaßen einen Legionellenbefall, und verweigert der Vermieter die Herausgabe eines (weiteren) Untersuchungsergebnisses an die Mieter des Hauses, so haben diese zwar noch keinen Grund für eine fristlose Kündigung, können aber Schadensersatz verlangen wegen ihrer Umzugs- und Maklerkosten.

AG Hersbruck, Urteil vom 04.02.2016, Aktenzeichen 11 C 146/15

03.02.2016: Bundesgerichtshof: Mangelhaftes Gutachten kann u.U. für Mieterhöhung genügen.

Wer eine Wohnraummiete erhöhen will, muss sich dabei entweder auf einen Mietspiegel, eine Mietdatenbank, drei Vergleichswohnungen oder ein Sachverständigengutachten berufen. Dabei ist zwischen der formellen und der inhaltlichen Gültigkeit des Mieterhöhungsverlangens zu unterscheiden. Formell ist ein Erhöhungsverlangen wirksam, wenn es die gesetzlich geforderten Mindestinformationen enthält, darunter Mietspiegel, Datenbank, Vergleichswohnungen oder Gutachten. Tatsächlich kann der Vermieter aber nur dann eine höhere Miete verlangen, soweit die ortsübliche Miete höher liegt als die bisher bezahlte. Sind also zum Beispiel die drei genannten Vergleichswohnungen teurer, liegt aber die ortsübliche Vergleichsmiete niedriger als die aktuell bezahlte Miete, ist das Erhöhungsverlangen nur formell rechtmäßig, der Sache nach aber unbegründet. Nun hat der BGH festgestellt, dass auch bei Sachverständigengutachten entsprechend unterschieden werden muss: Will das Gericht anhand eines Sachverständigengutachtens die tatsächliche Höhe der ortsüblichen Miete feststellen, muss das Gutachen (natürlich) fehlerfrei sein. Geht es aber nur darum, dass die formellen Voraussetzungen für das Mieterhöhungsverlangen einzuhalten sind, so kann auch ein fehlerhaftes oder undifferenziertes Gutachten genügen, wenn es nur überhaupt eine ortsübliche Vergleichsmiete nennt und dem Mieter die Chance gibt, die Richtigkeit der Angabe zumindest ansatzweise nachzuprüfen.

BGH, Urteil vom 03.02.2016, Aktenzeichen VIII ZR 69/15

03.02.2016: Landgericht Düsseldorf: Erkennbarkeit künftigen Eigenbedarfs im Falle des Kaufes eines Hauses und Umbauplänen.

Eine Dame hatte jemandem ihr Haus verkauft, der dort selbst einziehen wollte. Der Käufer beabsichtigte allerdings, das Haus aufzustocken und dann in einem Teil des Hauses zu leben, der von der Verkäuferin nicht benötigt wurde. So wurde im Kaufvertrag sogleich auch ein Mietvertrag vereinbart, wonach die Dame auf unbestimmte Zeit in der einen Wohnung des Hauses bleiben durfte. Die Dame hat den Käufer dabei arglistig über die baulichen Zustand des Hauses getäuscht. Nachdem die Ausbaupläne aus verschiedenen Gründen scheiterten, kündigte der Käufer der Dame wegen Eigenbedarfs und focht außerdem den Mietvertrag wegen arglistiger Täuschung an.
Das Landgericht stellt in diesem Zusammenhang dreierlei fest:
1. Der Käufer kann wegen der Täuschung nur beide Verträge anfechten oder keinen. Nur den Mietvertrag anzufechten, das Haus aber zu behalten, ist nicht möglich.
2. Schon bei Abschluss des – kombinierten – Vertrags hatte der Käufer ernsthaft erwogen, notfalls – nämlich wenn seine Ausbaupläne scheiterten – auch in die Wohnung der Verkäuferin einzuziehen. Damit stellt sich sein jetzt erst geltend gemachter Eigenbedarf als rechtsmissbräuchlich dar. Der Käufer hätte die Wohnung nur auf bestimmte Zeit befristet vermieten dürfen – bis klar war, ob er ausbauen konnte oder nicht.
3. Es gab in dem Haus bereits beim Verkauf drei Wohnungen. Zwei davon hatte der Käufer zwischenzeitlich zusammengelegt, aber in einer Weise, die eine jederzeitige Trennung erlaubte. In dem Fall schafft die Zusammenlegung keine neue (erleichterte) Kündigungsmöglichkeit nach § 573a BGB. Denn es handle sich rechtlich weiterhin um drei Wohnungen. Offen bleibt damit weiterhin die strittige Frage, ob es überhaupt möglich ist, durch nachträgliche Zusammenlegung von Wohnungen eine neue Kündigungsmöglichkeit zu schaffen.

LG Düsseldorf, Urteil vom 03.02.2016, Aktenzeichen 23 S 252/14

03.02.2016: Bundesgerichtshof: Zur Vorsorgevollmacht, wenn diese womöglich nicht mehr in Vollbesitz der geistigen Kräfte erteilt wurde.

Eine Vorsorgevollmacht erfüllt ihren Zweck uneingeschränkt nur dann, wenn bei ihrer Erteilung keine Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers bestehen. Bestehen solche Zweifel aber, so muss das Betreuungsgericht, sobald ein Bedarf an Betreuung ersichtlich ist, von Amts wegen ermitteln, ob diese Zweifel begründet sind oder nicht. Kann das Gericht die Zweifel nicht erfolgreich ausräumen, ist die Vollmacht gültig und zu respektieren. Trotzdem kann auch in einem solchen Fall eine Betreuung angeordnet werden, wenn die Vollmacht im Rechtsverkehr wegen der fortbestehenden Zweifel nicht voll akzeptiert wird.
Weigert sich der Betroffene, eine Betreuung zu akzeptieren, muss das Gericht feststellen, ob er derzeit – zur Zeit der Gerichtsentscheidung – einen freien Willen äußert, oder ob der freie Wille bei ihm krankheitsbedingt fehlt. Gegen seinen freien Willen darf ihm auch dann kein Betreuer bestellt werden, wenn die Vollmacht im Rechtsverkehr Vorbehalten begegnet.

BGH, Beschluss vom 03.02.2016, Aktenzeichen XII ZB 425/14

27.01.2016: Bundesgerichtshof: Auch langfristige Leihe ist keine – notariell zu beurkundende – Schenkung.

Während ein Schenkungsvertrag (der noch nicht sogleich vollständig erfüllt wird) der notariellen Beurkundung bedarf, gilt dies nicht für einen Leihvertrag. Der BGH hatte hier über einen Fall zu entscheiden, in welchem eine 74-jährige Frau einem anderen ein Haus auf 30 Jahre unentgeltlich zur Nutzung überlassen hatte. Das Recht zur Kündigung der Leihe wegen Eigenbedarfs der Eigentümerin hatten die Vertragsparteien ausgeschlossen. Der BGH hat – dem Gesetz entsprechend – festgestellt, dass ein solcher Vertrag auch ohne notarielle Beurkundung gültig und auch von den Erben der Frau zu respektieren ist. Der BGH verweist darauf, dass dem Eigentümer des Hauses trotz aller vertraglicher Bindung immer noch das Recht offen steht, wegen außerordentlicher Umstände fristlos zu kündigen, und er erklärt dazu, auch Fälle des Eigenbedarfs könnten – obwohl an sich vertraglich ausgeschlossen – in bestimmten Konstellationen  eine solche außerordentliche Kündigung dennoch rechtfertigen.

BGH, Urteil vom 27.01.2016, Aktenzeichen XII ZR 33/15

26.01.2016: Oberlandesgericht Stuttgart: Höhere Anforderungen an den auskunftspflichtigen Erben

Der Erbe ist dem (enterbten) Pflichtteilsberechtigten zur Auskunft über den Nachlass verpflichtet. Ohne diese Auskunft wäre der Pflichtteilsberechtigte nicht in der Lage, die Höhe seines Anspruchs auszurechnen. Nun mutet das Oberlandesgericht Stuttgart dem Erben neuerdings zu, Kontoauszüge der letzten 10 Jahre von allen in Betracht kommenden Banken und Sparkassen zu beschaffen. Kosten in Höhe von € 1.500,- seien zumutbar, wenn der Nachlass jedenfalls ein Einfamilienhaus enthält. Damit kann der Erbe den Pflichtteilsberechtigten jedenfalls nicht mehr mit der Bemerkung abspeisen, es seien im Nachlass keine Kontoauszüge mehr vorhanden.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.01.2016, Aktenzeichen 19 W 78/15

21.01.2016: Landgericht München I: Maklerauskünfte über Eigenschaften der Mietwohnung sind für den Vermieter grundsätzlich unverbindlich

Macht der Makler – hier telefonisch – dem Mietinteressenten gegenüber falsche Angaben über die Größe der Wohnung, so muss sich der Vermieter diese Auskunft im Regelfall nicht zurechnen lassen. Allerdings klärt das Landgericht nicht, wo der “Regelfall” zuende ist und der Vermieter doch für Angaben über die Mietsache einstehen muss – die der Makler in der Praxis ja vom Vermieter erhalten hat. Ist dem Mieter eine Eigenschaft einer Wohnung wichtig, sollte er sie also unbedingt in den Mietvertrag hineinschreiben.

LG München I, Urteil vom 21.01.2016, Aktenzeichen 31 S 23070/14

20.01.2016: Bundesgerichtshof: Erleichterungen für den Vermieter bei der Nebenkostenabrechnung

Bei größeren Wohnanlagen kann die Umlage von Kosten auf die Mieter kompliziert sein. Das gilt vor allem dann, wenn manche Gemeinschaftsanlagen unterschiedlich stark genutzt werden. Bisher führten Fehler der Abrechnung schnell dazu, dass die Rechnung gar nicht erst fällig wurde und der Vermieter, wenn er den Fehler erst nach über einem Jahr im Prozess bemerkte, ihn nicht mehr korrigieren konnte, weil die Frist zur Vorlage einer Nebenkostenabrechnung nach § 556 Absatz 3 BGB abgelaufen war. Nun hat der BGH die Zügel zugunsten des Vermieters gelockert. Eine transparente Umrechnung kann jetzt auch im Prozess noch nachgeliefert werden. Für den Mieter und seinen Anwalt ist es nun aber ohne Einsicht in die Abrechnungsunterlagen nicht mehr möglich, die Gültigkeit der Nebenkostenabrechnung zu prüfen.

BGH, Urteil vom 20.01.2016, Aktenzeichen VIII ZR 93/15

12.01.2016: Oberlandesgericht Düsseldorf: Keine Zurückbehaltung eines Schlüssels durch den Vermieter. Minderung der Miete auf Null bei fehlender Baugenehmigung / Nutzungskonzession

Übergibt der Vermieter dem Mieter zu Beginn des Mietvertrags nicht alle Schlüssel, gilt das Mietobjekt als gar nicht an den Mieter übergeben. Demzufolge ist der Mieter von der Zahlung der Miete freigestellt.
Fehlt es einer Mietsache an der öffentlich-rechtlichen Erlaubnis der im Mietvertrag vorgesehenen Nutzbarkeit, so ist die Miete – falls das Objekt überhaupt übergeben wurde – auf Null gemindert.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2016, Aktenzeichen I-24 U 62/15

06.01.2016: Amtsgericht Hamburg-Wandsbek: Eigenbedarf auch bei Streit mit dem Mieter

Häufig ziehen Mieter die Berechtigung einer Eigenbedarfskündigung in Zweifel, weil es schon vorher Streit mit dem Vermieter gegeben hatte. Die Berechtigung zur Eigenbedarfskündigung muss das Gericht aber unabhängig davon prüfen, ob Streit bestanden hatte oder nicht.
Das Gericht erinnert zudem daran, dass Absprachen der Vertragsparteien über einen Verzicht auf die Eigenbedarfskündigung schriftlich festzuhalten sind, wenn der Verzicht für länger als ein Jahr vereinbart werden soll.

AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 06.01.2016, Aktenzeichen 711a 262/14

22.12.2015: Oberlandesgericht Hamm: Einstweiliger Rechtsschutz gegen untreuen Bevollmächtigten

Der Erbe erhält Einstweiligen Rechtsschutz gegen den vom Verstorbenen Bevollmächtigten, wenn dieser kurz vor und kurz nach dem Tod des Vollmachtgebers jeweils größere Summen von dem Konto des Verstorbenen auf sein eigenes überwiesen hat – mit der Bemerkung “Schenkung” oder “Spende”. Der Erbe könne zwar regelmäßig nicht beweisen, dass es solche “Schenkungen” tatsächlich nicht gegeben hatte und die Überweisungen daher Akte der Untreue waren. Aber gerade deshalb, weil dies in Fällen der Untreue immer unbeweisbar sei, während der Gegner problemlos den Beweis führen könne, wenn er nur wolle, sei des gerechtfertigt, dass das Gericht einstweilen die Konten des Bevollmächtigten sperrt – bis dieser eben seine angeblichen Beweise vorlegt.

OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.2015, Aktenzeichen 24 W 40/15

18.12.2015: Bundesgerichtshof: Keine Rechte der Erben des Nießbrauchers.

Der Nießbrauch ist nicht vererblich. Er endet mit dem Tod des Berechtigten (§ 1061 BGB). Der BGH hat nun entschieden, dass auch Urteile, die der Nießbraucher zu Lebzeiten gegen einen Nachbarn erstritten hatte, mit seinem Tod wirkungslos werden. Seine Erben können die Zwangsvollstreckung gegen den Nachbarn also nicht fortsetzen. Wenn sie die Eigentümer des Grundstücks sind, an dem der Nießbrauch bestanden hatte, können sie bestenfalls von neuem gegen den Nachbarn klagen. Es empfiehlt sich also dringend, dass Eigentümer und Nießbraucher eine solche Nachbarklage von vornherein miteinander anstrengen.

BGH, Urteil vom 18.12.2015, Aktenzeichen V ZR 269/14

17.12.2015: Landgericht Frankfurt a.M.: Keine Sanierung illegaler Umbauten; Unverjährbarkeit illegaler Nutzungen

Wer Gemeinschaftseigentum ohne die nötige Zustimmung der anderen (betroffenen) Wohnungseigentümer umgebaut hat, ist einem Rückbauanspruch der übrigen Wohnungseigentümer ausgesetzt. Ist dieser Anspruch – nach drei Jahren – verjährt, bleibt es dem illegal tätig Gewesenen auch künftig verwehrt, seine Umbauten zu modernisieren oder instand zu setzen. Eine Legalisierung des Zustands tritt also nicht ein. Das wirkt sich auch auf den Verkaufsfall aus. Er muss also das rechtliche Manko offen legen.
Schon im Ansatz unverjährbar sollen Nutzungen sein, die – ohne bauliche Änderung – der Teilungserklärung widersprechen.

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.12.2015, Aktenzeichen 2-09 S 45/11

08.12.2015: Bundesgerichtshof: Rücktritt vom Hofübergabevertrag

Nach baden-württembergischem Landesrecht kann der Übergeber des Hofes vom Vertrag auch dann zurücktreten, wenn das Zusammenleben auf dem Hof von beiden Seiten gestört wird; § 16 Abs.1 AGBGB. Allerdings müssen die Pflichtverletzungen des Hofübernehmers ein Maß erreichen, dass es dem Übergeber auch im Hinblick auf sein eigenes Verhalten nicht zugemutet werden kann, an den Vertrag gebunden zu bleiben. Das heißt: sind die Pflichtverletzungen des Hofübernehmers im wesentlichen nur eine Reaktion auf das Fehlverhalten des Übergebers, kann dieser nicht vom Vertrag zurücktreten.

BGH, Urteil vom 08.12.2015, Aktenzeichen X ZR 98/13

08.12.2015: Bundesgerichtshof: zur Rückabwicklung von Hofübergaben in Baden-Württemberg

Ein Hofübergabevertrag kann nach dem Landesrecht in Baden-Württemberg nur unter erschwerten Voraussetzungen rückabgewickelt werden. Der Altenteiler kann nur vom Vertrag zurücktreten, wenn er zuvor schon wegen Vertragsverletzungen gegen den Übernehmer einen erfolgreichen Prozess geführt hatte und dieser sich weiteres Fehlverhalten “leistet” (§ 13 AGBGB). Er hat aber die Möglichkeit, auszuziehen und sich auf Kosten des Übernehmers eine Wohnung zu nehmen, wenn der Nachfolger für die Unzumutbarkeit des Zusammenwohnens verantwortlich ist  Der Übernehmer seinerseits kann nur kündigen, wenn die Zerrüttung des Verhältnisses primär vom Altenteiler verschuldet ist und ein weiteres Zusammenleben unzumutbar ist. Ist nicht zu beweisen, wer an der Zerrüttung schuld ist, wird es oftmals darauf hinauslaufen, dass der Altenteiler auf eigene Kosten auszieht.

BGH, Urteil vom 08.12.2015, Aktenzeichen X ZR 98/13  https://openjur.de/u/879275.html

08.12.2015: Bundesverfassungsgericht: Rauchwarnmelder auch mit Funk-Fernwartung verfassungsmäßig

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil gar nicht erst zur Entscheidung angenommen, weil die Beschwerde mangelhaft begründet sei. Das Gericht lässt aber in der Begründung durchblicken, dass auch eine gut begründete Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Dabei berücksichtigt es nur die Wahrscheinlichkeit, dass der Vermieter selbst die Funkwartung als Wanze missbraucht, nicht aber auch die Frage, ob und wie wahrscheinlich sich ein Hacker die Funkfernwartung zunutze machen könnte.

BVerfG, Beschluss vom 08.12.2015, Aktenzeichen 1 BvR 2921/15

07.12.2015: Oberlandesgericht Schleswig: Testamentsanfechtung durch nachgeborenes Kind

Ein Testament kann in aller Regel angefochten werden, wenn nach Erstellung eines Testaments noch ein Kind geboren wird oder sonstwie ein Pflichtteilsberechtigter hinzukommt, von dem der Testierende nichts gewusst hat. Die schwierige Frage lautet aber: ist das Testament dann insgesamt ungültig, oder stellt die Anfechtung nur die Rechte des unberücksichtigt gebliebenen Kindes wieder her – und lässt wichtige sonstige Bestimmungen, vor allem Enterbungen Dritter – unberührt? Das OLG Schleswig erklärt, dass das Testament durch Anfechtung grundsätzlich insgesamt ungültig wird; nur solche einzelnen Verfügungen können nach der Ausnahmeregelung des § 2079 Satz 2 BGB Bestand haben, für die sich eindeutig feststellen lässt, dass sie vom Erblasser auf alle Fälle gewollt waren.

OLG Schleswig, Beschluss vom 07.12.2015, Aktenzeichen 3 Wx 108/15

02.12.2015: Bundesgerichtshof: Nachschieben von Gründen bei der Anfechtung einer Erbannahmeerklärung

Wer die Annahme einer Erbschaft erklärt hat, oder wer es einfach versäumt hat, die Erbschaft rechtzeitig auszuschlagen, kann seine damit (fiktiv) erklärte Annahme der Erbschaft in gewissen Grenzen anfechten und dann die Erbschaft doch noch ausschlagen. Diese Ausschlagung muss vor allem rechtzeitig erfolgen, also in der Regel spätestens 6 Wochen nachdem der Erbe von der Erbschaft erfahren hat, in Auslandsfällen 6 Monate. Schwierig wird die Beurteilung, wenn fristgerecht eine Ausschlagung erklärt wird, die aber rechtlich unwirksam bleibt (hier, weil es an der familiengerichtlichen Genehmigung fehlte; der Erbe war minderjährig) und später, nach Fristablauf eine weitere Erklärung eingereicht wird, die auf die erste Ausschlagungserklärung Bezug nimmt, aber neue Gründe für die Ausschlagung benennt. Der BGH hat entschieden, dass nach Fristablauf nachgeschobene Gründe die erste, fristgerechte, Erklärung stärken können, wenn sich die nachgeschobenen Gründe als Erläuterungen und Ergänzungen zur ersten, vielleicht ungenügend begründeten Erklärung verstehen lassen. Sind die nachgeschobenen Gründe allerdings sachlich verschieden von dem ursprünglichen Ausschlagungsgrund, handle es sich um eine völlig neue Ausschlagungserklärung, die verspätet sei und damit rechtlich unbeachtlich. Offen bleibt, ob eine Ausschlagungserklärung überhaupt begründet werden muss, und wie mit Begründungen zu verfahren ist, die nach Fristablauf eingereicht werden, wenn die ursprüngliche, fristgerechte, Erklärung ohne Begründung eingereicht worden war.

BGH, Beschluss vom 2.12.2015, Aktenzeichen IV ZB 27/15 – https://openjur.de/u/868425.html

26.11.2015: Finanzgericht Münster: Wertermittlung beim Vorbehaltsnießbrauch

Nach der seit dem 01.01.2009 geltenden Neuregelung vermindert sich die für die Übertragung eines Grundstücks anfallende Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer, wenn sich der Schenker an dem Grundstück einen Nießbrauch vorbehält. Ist das Grundstück aber noch mit Schulden belastet, und vereinbaren die Beteiligten, dass die Tilgung vom Nießbraucher zu zahlen ist, so mindert sich der Wert des Nießbrauchs um die zu leistenden Tilgungen. So hat es jetzt das FG Münster entschieden. Damit vermindert sich natürlich auch der steuerliche Vorteil, den der Nießbrauch für den Erwerber des Grundstücks bedeutet. Er wird zwar von den Tilgungsleistungen freigestellt, hat aber eine höhere Schenkungsteuer zu bezahlen.

FG Münster, Urteil vom 26.11.2015, Aktenzeichen 3 K 2711/13 Erb

25.11.2015: Oberlandesgericht Koblenz: Auskunftsanspruch gegen den Pflichtteilsberechtigten

Das Gesetz bestimmt, dass der Pflichtteilsberechtigte vom Erben Auskunft verlangen kann über den Bestand des Nachlasses und zuvor erhaltene Leistungen. Nun hat das OLG Koblenz entschieden, dass auch der Erbe vom Pflichtteilsberechtigten Auskunft verlangen kann – wenn beide Geschwister sind – und zwar darüber, was der Pflichtteilsberechtigte bereits von dem Erblasser erhalten hatte. Das ist allerdings umstritten: OLG München und OLG Köln sind anderer Meinung (14 U 3585/12 bzw. 1 U 56/13).

OLG Koblenz, Urteil vom 25.11.2015, Aktenzeichen 5 U 779/15

25.11.2015: Bundesgerichtshof: Achtung auf Schriftform bei Mieterhöhung in Zeitmietverträgen!

Haben die Parteien einen Mietvertrag auf bestimmte Zeit – und zwar länger als ein Jahr – abgeschlossen, muss der Vertrag schriftlich abgeschlossen sein. Auch Änderungen müssen schriftlich vorgenommen und mit dem Vertrag verbunden werden. Das gilt in aller Regel auch für die Änderung der Miethöhe. Wird das übersehen, verliert der Vertrag seine Befristung und ist jederzeit kündbar.

BGH, Urteil vom 25.11.2015, Aktenzeichen XII ZR 114/14

25.11.2015: Oberlandesgericht Koblenz: Auskunftsansprüche des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten

Der Pflichtteilsberechtigte kann von dem Erben Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangen. Anderenfalls wäre er nicht in der Lage, die Höhe seines Anspruchs zu bestimmen. So weit ist es im Gesetz klar geregelt (§ 2314 BGB). Aber auch umgekehrt hat der Pflicht-teilsberechtigte dem Erben Auskunft zu erteilen, wie das OLG Koblenz jetzt entschieden hat: nämlich über mögliche Vorempfänge, die er von dem Erblasser schon zu dessen Lebzeiten erhalten hatte mit der Maßgabe, dass er sich diese Zuwendung auf den Pflichtteil anrechnen lassen müsse (typischerweise: Grundstücksübertragung in vorweggenommener Erbfolge). Fordert der Erbe die Auskunft erst im laufenden, vom Pflichtteilsberechtigten angestrengten Prozess, und erwähnt der Erbe dabei verschiedene Zuwendungen, die ihm zu Ohren gekommen waren, so kann sich der Pflichtteilsberechtigte nicht einfach damit verteidigen, dass er erklärt, er habe von dem Verstorbenen nichts mit der Bestimmung erhalten, es sich auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen. Er muss dann zu jedem erwähnten Vorgang detailliert Stellung nehmen. Außerdem hat der Pflichtteilsberechtige Auskunft zu erteilen über andere Leistungen des Verstorbenen an ihn, falls eine Ausgleichungspflicht unter Geschwistern in Betracht kommt, so etwa, wenn er eine Aussteuer erhalten hatte (eher veraltet), wenn er Geld für eine Ausbildung erhalten hatte, die die finanziellen Verhältnisse der Eltern überstiegen oder wenn er den Verstorbenen gepflegt hatte (zunehmend häufig). Leider verwechselt das OLG in seiner Urteilsbegründung diese beiden Formen der Zuwendung – wie auch sonst häufig Anrechnung und Ausgleichung nicht genügend auseinander gehalten werden.

OLG Koblenz, Urteil vom 25.11.2015, Aktenzeichen 5 U 779/15

18.11.2015: Bundesgerichtshof: Bei Mieterhöhung zählt nur die wirkliche Wohnfläche.

Ist die Wohnfläche tatsächlich größer als im Mietvertrag angegeben, kann (und muss) der Vermieter, wenn er die Miete erhöhen will, die örtliche Vergleichsmiete anhand der tatsächlichen Quadratmeterzahl ermitteln. So kann sich für den Mieter ein unerwarteter Anstieg der Miete ergeben, der deutlich höher liegt als der Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete. Freilich muss der Vermieter trotzdem die Kappungsgrenze einhalten; er darf also nicht um mehr als 15 bzw. 20% erhöhen, natürlich gerechnet von der tatsächlichen bisherigen Miete. So sei der Mieter ausreichend geschützt. Das ganze gilt auch umgekehrt zugunsten des Mieters, wenn die Wohnfläche im Mietvertrag zu groß angegeben war.

BGH, Urteil vom 18.11.2015, Aktenzeichen VIII ZR 266/14

06.11.2015: Oberlandesgericht Bamberg: Die Freistellung von der Bindungswirkung beim Berliner Testament erfordert klare Worte!

Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten – also auch in “Berliner Testamenten” – sind typischerweise nach dem Tod des ersten der beiden Eheleute für den länger Lebenden bindend. Er kann es sich nun also nicht mehr anders überlegen, wen er zu seinen Erben einsetzt. Die Bindungswirkung ist aber nicht zwingend: die Eheleute können in ihrem gemeinschaftlichen Testament auch bestimmen, dass diese oder jene Verfügung nicht bindend werden soll. Dazu bedarf es aber klarer Worte. Wird dem (Erst-) Erben lediglich “Verfügungsgewalt” über das gemeinsame Vermögen zugesprochen, bleibt es bei der Bindung an die gemeinsam getroffene Einsetzung des (Zweit-) Erben (sog. Schlusserben).

OLG Bamberg, Beschluss vom 06.11.2015, Aktenzeichen 4 W 105/15

04.11.2015: Landgericht Münster: Nach Verbraucherschutzrecht widerruflicher Mietvertrag

Seit 13.06.2014 gilt in Deutschland ein neues Verbraucherschutzrecht. Dies ist auch im Mietrecht zu beachten, wenngleich nur dort, wo eine Seite (in der Regel der Vermieter) gewerblich tätig ist. Ein Widerrufsrecht des anderen (in der Regel des Mieters) besteht dabei immer dann, wenn der Vertrag telefonisch (per Fax; E-Mail usw) oder außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters abgeschlossen worden war. Ein “Entgegenkommen” des Vermieters im wörtlichen Sinne kann also für die Vergütung verheerende Folgen haben, wie das hier entschiedene Beispiel einer vermieteten Trocknungsmaschine zeigt. Der Vermieter war auf die Baustelle gekommen, um den Fall anzuschauen; dort war dann auch der Vertrag über die Trocknung geschlossen worden. Der “Mieter” konnte den Vertrag nach Verbraucherrecht widerrufen und musste nur den von ihm tatsächlich gezogenen Vorteil vergüten, nicht aber den vereinbarten Mietpreis.

LG Münster, Urteil vom 04.11.2015, Aktenzeichen 2 O 127/15

04.11.2015: Bundesgerichtshof: Mietpreisbremse: Kürzung der Kappungsgrenze zulässig

Laut Gesetz beträgt die Kappungsgrenze für reguläre Mieterhöhungen 20% (§ 558 BGB). Das Gesetz über die „Mietpreisbremse“ hat es den Ländern erlaubt, für Gemeinden mit überhitztem Wohnungsmarkt diese Grenze auf 15% herabzusetzen, § 558 Absatz 3 BGB. Der Bundesgerichtshof hat diese “Bremse” jetzt gebilligt. Im hiesigen Umkreis gilt sie seit dem 1. Juli 2015 für Lörrach und Steinen, Weil am Rhein, Grenzach-Wyhlen, Rheinfelden und Bad Säckingen. In diesen Gemeinden gilt seither zudem eine auf fünf Jahre verlängerte Kündigungssperrfrist bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen und seit 01.11.2015 auch eine Mietpreisbremse bei Neuvermietungen (maximal 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete). Für Schopfheim und das übrige Wiesental gelten bis dato noch die alte Kappungsgrenze von 20%, die Kündigungssperrfrist von drei Jahren und keine Preisbremse bei Neuvermietung.

BGH, Urteil vom 04.11.2015, Aktenzeichen VIII ZR 217/14

22.10.2015: Amtsgericht München: Nicht störende Parabolantenne ist zulässig.

Installiert der ausländische Mieter mit Hilfe eines sogenannten Flachbandes (auch: Fensterdurchführung) auf seinem Balkon eine Parabolantenne, die aus Fußgängerperspektive fast nicht sichtbar ist, und erfolgt auch keine Substanzverletzung (Bohrungen), so kann der Vermieter die Beseitigung der Antenne nicht verlangen. Das Interesse des Mieters, sich in seiner Muttersprache mit Fernsehen zu versorgen, sei dann höher anzusetzen als das Interesse des Vermieters an der Erhaltung der Sachsubstanz.

AG München, Urteil vom 22.10.2015, Aktenzeichen 410 C 11331/15

15.10.2015: Oberlandesgericht Karlsruhe: Keine Verjährung gestundeter Pflichtteilsrechte.

Pflichtteilsforderungen verjähren in drei Jahren.  Bittet aber der Erbe den Pflichtteilsberechtigten noch vor Eintritt der regulären Verjährung, den Pflichtteil nicht geltend zu machen, und folgt der Pflichtteilsberechtigte diesem Wunsch, so hätten die beiden die Forderung auf zunächst unbestimmte Zeit gestundet, mit der Folge, dass die weitere Verjährung gehemmt war. Die Pflichtteilsberechtigte konnte so noch nach über 10 Jahren ihren Anspruch geltend machen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.10.2015, Aktenzeichen 9 U 149/14

25.09.2015: Bundesgerichtshof: Ausgleichsanspruch für eigenmächtig saniertes Gemeinschaftseigentum

Zuständig für die Sanierung des Gemeinschaftseigentums ist die Gemeinschaft. Genauer: ist die Sanierung bereits beschlossen (oder liegt ein Notfall vor), ist der Verband der Wohnungseigentümer zuständig – mithin der Verwalter. Ist die Sanierung dagegen noch nicht beschlossen, sind die Wohnungseigentümer dafür zuständig: es ist dann ihre Pflicht, einen Beschluss zu fassen.
Gegenstand dieses Prozesses ist die Frage, ob ein einzelner Wohnungseigentümer, der eigenmächtig Teile des Gemeinschaftseigentums saniert hat, von der Gemeinschaft Ersatz seiner Kosten verlangen kann. Dazu ist zunächst zu sagen, dass in einem echten Notfall keine Eigenmacht vorliegt, da im Notfall jeder Wohnungseigentümer zur Durchführung der Sanierungsmaßnahme befugt ist (§ 21 II WEG). Im übrigen gilt: vertragliche Erstattungsansprüche hat der Sanierende nicht. Einen gesetzlichen Anspruch hat er laut dem BGH nur, wenn die Maßnahme ohnehin hätte durchgeführt werden müssen. Dabei komme es – entgegen dem Wortlaut des Gesetzes (§§ 684, 687 II BGB) nicht darauf an, ob er gewusst hat, dass er zu der Sanierung nicht befugt war. Wer den Anspruch zu begleichen hat, richtet sich danach, wer hätte tätig werden müssen: Mussten die Wohnungseigentümer noch einen Beschluss fassen, so haften sie. War bereits ein Sanierungsbeschluss gefasst oder bedurfte es ausnahmsweise keines Beschlusses, so haftet die WEG als Verband. So soll vermieden werden, dass die Eigentümer über die beschlossenen Ausgaben hinaus mit weiteren Ausgaben belastet werden. Darüber, dass allerdings auch die Ausgaben des Verbands wieder auf die Mitglieder umzulegen sind, schweigt das Gericht.

BGH, Urteil vom 25.09.2015, Aktenzeichen V ZR 246/14

25.09.2015: Bundesgerichtshof: Kreditaufnahme der WEG im Grundsatz zulässig

Wie schon das Landgericht Karlsruhe in der Vorinstanz (s.u. Urteil v. 7.10.14) erklärt nun auch der BGH erstmals die Finanzierung größerer Sanierungen oder Modernisierungen durch Aufnahme eines langfristigen Kredits im Grundsatz für zulässig. Es gelten aber dafür Hürden – wenn auch andere als die, die das Landgericht Karlsruhe bereits formuliert hatte. So muss ein Kreditbeschluss keineswegs das Recht einräumen, dass jeder, der will, seinen Anteil an den Sanierungskosten sofort selbst bezahlt. Er muss auch dann, wenn er ein solches Recht trotzdem einräumt, nicht garantieren, dass es im Falle der Insolvenz von Miteigentümern nicht zu Doppelzahlungen kommt. Das bleibt das Risiko desjenigen, der unmittelbar selbst zahlen möchte.   Außerdem kann eine Kreditaufnahme dann unzulässig sein, wenn die Sanierungsmaßnahme nicht dringend ist, oder dann, wenn die WEG nicht sicher kreditwürdig ist, weil etwa in der Zukunft noch weitere Sanierungen anstehen. Sie ist ferner dann unzulässig, wenn es sich nicht um einen Ratenkredit handelt, der am Ende der Laufzeit abgezahlt ist, sondern um einen endfälligen Kredit. Schließlich ist ein Kreditbeschluss auch dann rechtswidrig, wenn die Eigentümer vorher nicht über die Haftungsrisiken aufgeklärt wurden.
Die Kreditfinanzierung bleibt damit in der Praxis kritisch.

BGH, Urteil vom 25.09.2015, Aktenzeichen V ZR 244/14

23.09.2015: Bundesgerichtshof: Kontrollbetreuung zwecks Widerrufs einer Vorsorgevollmacht

Vorsorgevollmachten dienen dazu, die Einsetzung einer Betreuung überflüssig zu machen. Das ist gut, solange der Bevollmächtigte tätig, tüchtig und vertrauenswürdig ist. Ist er das nicht, kann sich das Betreuungsgericht bemüßigt sehen, trotz – oder gerade wegen – der bestehenden Vollmacht eine Betreuung einzurichten, deren Aufgabe es ist, den Bevollmächtigten zu kontrollieren (“Kontrollbetreuung”). Nutzt auch dies nicht, bleibt die Einsetzung eines Betreuers zu dem Zweck, die Vollmacht zu widerrufen. Letzteres ist lt. BGH aber nur zulässig, wenn erhebliche Schäden für den Betroffenen zu befürchten sind. In aller Regel muss der Kontrollbetreuer zunächst alles Zumutbare versuchen, um den Bevollmächtigten zu rechtmäßigem und sinnvollem Handeln anzuleiten.

BGH; Beschluss vom 23.09.2015, Aktenzeichen XII ZB 624/14

23.09.2015: Bundesgerichtshof: Kein Eigenbedarf “auf Vorrat”

Eine Eigenbedarfskündigung ist nicht zulässig, wenn der Eigentümer noch keinen klaren Wunsch zur Eigennutzung hat. Derartiges darf das Gericht unterstellen, wenn er sich im Verhandlungstermin nur sehr vage über seine Vorstellungen äußert – insbesondere in Fällen wie hier, wo die Eigentümerin mindestens 15 Wohnungen besaß und keine klaren Angaben dazu machen konnte, warum sie gerade eine bestimmte haben wollte.

BGH, Urteil vom 23.09.2015, Aktenzeichen VIII ZR 297/14

10.09.2015: Kammergericht: Kein Betretungsverbot gegen den ausgeschlossenen Wohnungseigentümer.

In extremen Fällen können die Wohnungseigentümer einem störenden Miteigentümer dessen Wohnungseigentum entziehen. Er verliert dann sein Eigentum. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass er auch ausziehen muss. Das zeigt nun ein Beschluss des Berliner Kammergerichts. Dort hatte die neue Eigentümerin der Wohnung, die dem Störer entzogen worden war, keine Räumungsklage gegen diesen erhoben, vielmehr dessen weitere Anwesenheit in dem Haus geduldet. Die übrigen Wohnungseigentümer hatten verlangt, ihm das Betreten des Hauses zu untersagen, aber dazu fehlt ihnen das Recht. Sie können ihm nur die störenden Handlungen als solche untersagen. Ein Betretungsverbot griffe unzulässig in das Recht der neuen Eigentümerin ein. Merke also: soll einem Störer das Eigentum entzogen werden, so sollte darauf geachtet werden, dass das Eigentum von einem der Eigentümer erworben werden sollte, die die Entziehung betrieben haben, oder einer vertrauten Person. Umgekehrt kann der Störer versuchen, seinem Rauswurf zu entgehen, indem er einen Strohmann mit dem Erwerb seiner Wohnung betraut – oder zumindest eine Person, die ihm wohl gesonnen ist.

KG, Beschluss vom 10.09.2015, Aktenzeichen 8 U 94/15

10.09.2015: Kammergericht: Fehlgeschlagene Abmeierung

Wer das Zusammenleben in einer WEG über Gebühr belastet, kann nach § 18 WEG aus der Eigentümergemeinschaft ausgeschlossen werden und zum Verkauf seiner Wohnung gezwungen werden. Findet er aber einen Käufer, der ihn als Mieter weiterhin in seiner Wohnung duldet, können die Miteigentümer seinen Auszug nicht erzwingen. Sie können auch kein Hausverbot für die Flächen des Gemeinschaftseigentums aussprechen.

KG, Beschluss vom 10.09.2015; Aktenzeichen 8 U 94/15

27.08.2015: Sächsisches Landessozialgericht: Volle Erbenhaftung für Leistungen an den Verstorbenen

Vererbt ein Sozialhilfeempfänger oder “Hartz-IV”-Empfänger erhebliche Vermögenswerte, hat der Erbe die staatlichen Leistungen zu erstatten. Dabei kann er sich – so das sächsische LSG – nicht auf Schutzvorschriften wie § 40 Absatz 4 Satz 1 SGB II oder § 105 Absatz 2 Satz 1 SGB XII berufen, die nur den Leistungsempfänger selbst schützen sollen, aber nicht den Erben (der ja nicht mit dem eigenen Vermögen haftet, sondern nur mit dem Ererbten).

Sächs.LSG, Urteil vom 27.08.2015, Aktenzeichen 2 AS 1161/13

20.08.2015: Amtsgericht Neumarkt: Bewusste Herbeiführung der Beschlussunfähigkeit

Es ist jedem Wohnungseigentümer unbenommen, die Eigentümerversammlung zu verlassen, selbst wenn er damit die Beschlussunfähigkeit herbeiführt. Ignorieren die Verbliebenen die Beschlussunfähigkeit und fassen weitere Beschlüsse, ist der Weggegangene nicht gehindert, diese Beschlüsse wegen Beschlussunfähigkeit anzufechten.
Inwieweit Gerichte in Südbaden dem folgen würden, lässt sich derzeit noch nicht sagen.

AG Neumarkt (Obpf.), Urteil vom 20.08.2015, Aktenzeichen 4 C 5/14 WEG

19.08.2015: Bundesgerichtshof: Widerruf einer Vorsorgevollmacht letztlich auch im Falle von Demenz möglich.

Vorsorgevollmachten können von den Betroffenen jederzeit frei widerrufen werden, was vor allem in Fällen bedeutsam ist, in denen der Betroffene das Vertrauen in den Bevollmächtigten verloren hat. Der Widerruf ist allerdings unwirksam, wenn der Betroffene zwischenzeitlich seine Geschäftsfähigkeit eingebüßt hat, zum Beispiel infolge fortgeschrittener Demenz. In solchen Fällen vermag der Betroffene gegen die Vertretung des seinerzeit von ihm Bevollmächtigten nichts mehr zu unternehmen. Er kann allerdings, wie der BGH jetzt bestätigt hat, das Vormundschaftsgericht ersuchen, trotz weiterhin gültiger Vollmacht eine Betreuung einzurichten. Dies sei deshalb möglich, weil Vollmachten, deren Wirksamkeit im Rechtsverkehr Zweifeln ausgesetzt seien, nicht effektiv zugunsten des Betroffenen eingesetzt werden könnten. Folgt das Gericht diesem Wunsch, weil die Geschäftsunfähigkeit nicht ganz offensichtlich ist, und widerruft dann der Betreuer die Vollmacht, hat der Betroffene letztlich sein Ziel erreicht, den Bevollmächtigten zu “entmachten”. Freilich kann der Betroffene sich auch künftig nicht wieder selbst vertreten, sondern muss sich mit dem eingesetzten Betreuer arrangieren.

BGH, Beschluss vom 19.08.2015, Aktenzeichen XII ZB 610/14

 

14.08.2015: Oberlandesgericht Düsseldorf: Verjährung von Auskunftsansprüchen

Vorliegend hatte die Tochter der Verstorbenen zunächst als Betreuerin die Angelegenheiten der Mutter geregelt; nach deren Tod hat sie den Nachlass auf eigene Faust verwaltet. Ihr Bruder macht gegen sie Auskunftsansprüche geltend. Die Schwester schuldet ihm aufgrund der Betreuung Auskunft; aber diese Ansprüche verjähren in drei Jahren ab dem Todesjahr der Mutter. Die Schwester schuldet auch Auskunft aus der seitherigen Verwaltung des Nachlasses; dieser Anspruch beginnt erst zu verjähren, wenn die Schwester die Verwaltung eingestellt hat (oder sobald der Bruder bei noch laufender Verwaltung die Auskunft erstmals fordert). De facto ist dieser Anspruch also fast unverjährbar, solange der Bruder keine Kenntnis von den Verhältnissen des Nachlasses erhält.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.08.2015, Aktenzeichen I-7 U 47/14

31.07.2015: Oberlandesgericht Schleswig: Enge Grenzen der Anfechtung bei Überschuldung des Nachlasses.

Wer eine Erbschaft nicht rechtzeitig ausschlägt, hat sie damit angenommen. Diese (fingierte) Erklärung der Annahme kann der Erbe in gewissen Grenzen anfechten, wenn er sich über wesentliche Aspekte des Erbes geirrt hat. Dies ist vor allem von Bedeutung bei Überschuldung des Nachlasses, die dem Erben zunächst verborgen geblieben war. Der Erbe kann hier nur anfechten, wenn er tatsächlich der Meinung war, das Erbe sei werthaltig. Er kann aber nicht anfechten, wenn er sich gar keine Meinung zur Werthaltigkeit des Nachlasses gebildet hatte. Das heißt: wo der Erbe die Möglichkeit hat, die ererbten Werte – und gegebenenfalls Schulden – in Erfahrung zu bringen, muss er dies auch tun. Er kann sich nicht blind darauf verlassen, es werde schon keine unangenehmen Überraschungen geben.

OLG Schleswig, Beschluss vom 31.07.2015, Aktenzeichen 3 Wx 120/14

30.07.2015: Bayerisches Landessozialgericht: Erbausschlagung eines Sozialleistungsempfängers.

Einem psychisch kranken Kind, das von staatlicher Hilfe lebt, ist es nach Ansicht des Bayerischen LSG nicht gestattet, zugunsten seiner gesunden Geschwister und zu Lasten des Sozialhilfeträgers das Erbe seiner Eltern auszuschlagen. Insofern sei der Fall nicht vergleichbar mit dem (zulässigen) Pflichtteilsverzicht eines behinderten Kindes. Das Sozialgericht entscheidet aber nur über die Überleitung möglicher Ansprüche auf den Fiskus, nicht darüber, ob diese tatsächlich bestehen. Der Fiskus wird also Teil der Erbengemeinschaft, und die gesunden Familienmitglieder sind gezwungen, mit ihm vor den Zivilgerichten darüber zu streiten, ob und wieviel der Fiskus tatsächlich (anstelle des Behinderten oder psychisch Kranken) geerbt hat. Wie ein solcher Prozess ausgeht, ist bis heute ungeklärt. Will sich eine Familie mit behindertem Kind vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers schützen, sollte sie sicherheitshalber unbedingt schon vor dem ersten Todesfall aktiv werden und ein Behindertentestament errichten.

Bayr.LSG, Urteil vom 30.07.2015, Aktenzeichen L 8 SO 146/15 B ER

28.07.2015: Bundesgerichtshof: Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer

Eine Vorsorgevollmacht wird vor allem erteilt, um die Bestellung eines gerichtlichen Betreuers zu vermeiden. Entsprechend unerfreulich ist es aus Sicht des Vollmachtgebers, wenn dann erstens doch ein Betreuer bestellt wird und zweitens dieser dann die Vollmacht widerruft. Der BGH hat entschieden, dass der Betreuer die Vollmacht nur widerrufen darf, wenn genau dies ausdrücklich zu seinen Aufgabenkreisen zählt. Das Gericht, das den Betreuer ernennt, muss also eine ausdrückliche Entscheidung der Art treffen, dass der Betreuer befugt sein soll, die Vollmacht zu widerrufen. Und dies darf das Gericht nur dann tun, “wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt”. Und last not least nimmt selbst ein so legitimierter Widerruf dem Bevollmächtigten nicht das Recht, die Entziehung der Vollmacht gerichtlich überprüfen zu lassen.

BGH, Beschluss vom 28.07.2015, Aktenzeichen XII ZB 674/14

10.07.2015: Bundesgerichtshof: Gaststätten sind keine “Ladenräume”

Benennt die Teilungserklärung einen Raum als “Ladenraum”, darf er nicht als Gaststätte genutzt werden – zumindest dann nicht, wenn die Gaststätte nach Landesrecht über die gesetzliche Ladenschlusszeit hinaus geöffnet bleiben dürfte. In Baden-Württemberg gilt zwar an Werktagen kein Ladenschluss mehr, aber weiterhin an Sonn- und Feiertagen, weshalb also die Gaststätte länger geöffnet sein dürfte als ein Laden und somit in “Ladenräumen” unzulässig wäre.
Ansprüche auf Unterlassung kann jeder Wohnungseigentümer geltend machen. Beschließen die Eigentümer mit Mehrheit, dass die Verwaltung dagegen vorgeht, können diese Ansprüche nur noch von der Verwaltung, aber nicht mehr von einzelnen Eigentümern geltend gemacht werden.

BGH, Urteil vom 10.07.2015, Aktenzeichen V ZR 169/14

07.07.2015: Oberlandesgericht Frankfurt a.M.: Erbvertrag von Lebensgefährten bleibt bei Trennung gültig!

Erbverträge, die Ehegatten miteinander schließen, sind ungültig, wenn sich die Eheleute scheiden lassen. Das gilt auch für Eheverträge in der (homosexuellen) Eingetragenen Lebenspartnerschaft, aber nicht, wenn sich Partner einer schlichten nichtehelichen Lebensgemeinschaft trennen. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn der Erbvertrag im Hinblick auf eine künftige Ehe abgeschlossen wurde.

OLG Ffm, Beschluss vom 07.07.2015, Aktenzeichen 20 W 16/15

30.06.2015: Landgericht Karlsruhe: Rauchmelder einzubauen ist Sache der Gemeinschaft, nicht des Einzelnen.

Seit die Gesetze für Wohnräume Rauchmelder vorschreiben (in Baden-Württemberg ist es § 15 Absatz 7 Landesbauordnung), herrscht Streit darüber, ob es in Wohnungseigentümergemeinschaften Sache des einzelnen Eigentümers ist, Rauchmelder zu installieren, oder Sache der Gemeinschaft, also der Hausverwaltung. In Baden-Württemberg trifft die Pflicht – so hat es jetzt das Landgericht Karlsruhe entschieden – die Gemeinschaft.

LG Karlsruhe, Urteil vom 30.06.2015, Aktenzeichen 11 S 109/14

23.06.2015: Bundesfinanzhof: Keine Steuerbefreiung für nicht selbst genutztes Einfamilienhaus

Wer ein Eigenheim erbt, das er ab sofort selbst bewohnt (“Oma ihr klein Häuschen”), ist von der Erbschaftsteuer befreit (§ 13 Abs.1 Nr. 4 c ErbschaftsteuerG). Das gilt aber dann (natürlich) nicht, wenn der Erbe das Haus zwar gern selbst bewohnen möchte, tatsächlich aber nicht einzieht – und seien die Gründe dafür noch so triftig.

BFH, Urteil vom 23.06.2015, Aktenzeichen II R 13/13

Wer die Steuerbefreiung nutzen will, muss das Haus unverzüglich beziehen – regelmäßig spätestens sechs Monate nach dem Erbfall. Dem Miterben, der das Haus erst durch Vereinbarung mit seinen Miterben übernimmt, ist mehr Zeit zu gewähren.

BFH, Urteil vom 23.06.2015, Aktenzeichen 2 R 39/13

15.06.2015: Bundesgerichtshof: Heizölkauf stornierbar

Bisher war nicht anerkannt, dass Verbraucher (einschließlich Wohnungseigentümer-Gemeinschaften) berechtigt waren, bestelltes Heizöl per Widerruf wieder abzubestellen. Der BGH hat jetzt entschieden, es gebe keinen Grund, den Verbrauchern ihr Widerrufsrecht hier abzusprechen. Das Risiko, dass der Kunde bei fallenden Heizölpreisen widerruft, müsse der Anbieter tragen. Kunden spekulierten nicht mit Heizöl. Ein klein wenig spekulieren können die Kunden jetzt aber doch: steigt der Preis, bleiben sie ihrer Bestellung treu; fällt er, stornieren sie wieder und kaufen woanders billiger.

BGH, Urteil vom 15.06.2015, Aktenzeichen VIII ZR 249/14

10.06.2015: Bundesgerichtshof: Schadensersatz nach gefakter Eigenbedarfskündigung

Ein Mieter, der nach vorgetäuschtem Eigenbedarf ausgezogen ist, kann gegen den Vermieter Schadensersatz geltend machen, zum Beispiel seine Umzugskosten oder eine möglicherweise jetzt höhere Miete ersetzt verlangen. Problematisch ist die Lage aber, wenn der Mieter nicht zum Auszug gezwungen worden war, sondern in einem gerichtlichen Vergleich dem Auszug zugestimmt hatte. Hier hatten die Gerichte bislang vielfach angenommen, der Mieter hätte mit diesem Vergleich auch auf mögliche Schadensersatzansprüche wegen gefakter Kündigung verzichtet – und zwar selbst dann, wenn ein solcher Verzicht nicht ausdrücklich in den Vergleichstext hineingeschrieben war. Dem schiebt der BGH jetzt einen Riegel vor: Es müsse zwar nicht unbedingt ausdrücklich drinstehen, dass der Mieter auf seine möglichen Ansprüche verzichtet, aber der Text muss sehr deutliche Hinweise auf einen solchen Verzicht geben – zum Beispiel dadurch, dass auch der Vermieter auf wichtige Rechte verzichtet. Gibt es solche deutlichen Hinweise nicht, kann der Mieter auch nach einem Räumungsvergleich noch Schadensersatz verlangen.

BGH, Urteil vom 10.06.2015, Aktenzeichen VIII ZR 99/14 https://openjur.de/u/811524.html

29.05.2015: Landgericht Rottweil: Wann ist bei Fristende Verarmung des Schenkers eingetreten?

Verarmt jemand, der zuvor sein Grundstück oder seine Wohnung verschenkt hatte, kann er also seinen Unterhalt nicht mehr aufbringen, so kann er das Verschenkte zurück verlangen – es sei denn, es sind seit der Schenkung bereits 10 Jahre vergangen. Im hier entschiedenen Fall hatte die Tante den Beklagten per Notarvertrag vom 09.09.2003 ein Grundstück geschenkt; und per Anwaltsschreiben vom 05.09.2013, zugestellt am 13.09.2013, forderte sie es zurück. Im Grundbuch war die Schenkung erst am 21.10.2003 eingetragen worden.
Das Landgericht erklärte zunächst im Einklang mit dem Bundesgerichtshof (vgl. Archiv, 19.07.2011), dass die 10-Jahres-Frist mit Stellung des Überschreibungsantrags beim Grundbuchamt zu laufen beginnt. Das war hier am selben Tag, an dem der notarielle Vertrag unterzeichnet wurde. Für das Ende der Frist kam es gar nicht mehr darauf an, dass das Schreiben erst einige Tage nach Versendungsdatum zugestellt worden war. Denn das Gericht stellte fest, dass bei Abfassung dieses Schreibens bei der Tante noch gar keine Verarmung eingetreten war. Verarmung liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn Verarmung abzusehen ist, sondern erst, wenn das Vermögen tatsächlich aufgebraucht ist. Die Klage der Tante war daher abzuweisen.

LG Rottweil, Urteil vom 29.05.2015, Aktenzeichen 2 O 319/13

21.05.2015: Oberlandesgericht Köln: Fristsetzung durch den Vermieter bei schadhaft zurückgegebener Wohnung

Hat der Mieter die Wohnung in vertragswidrigem Zustand zurückgegeben, kann der Vermieter Schadensersatzansprüche geltend machen. Bisher war aber immer zwischen Schäden an der Substanz einerseits und lediglich mangelhaften Restarbeiten des Mieters zu unterscheiden. Wegen Schäden an der Substanz konnte der Vermieter ohne weiteres Schadensersatz verlangen; wegen nicht erledigter Restarbeiten (Räumung, Reinigung, Rückbau, Schönheitsreparaturen) musste er erst immer eine Frist setzen, und erst nach deren fruchtlosem Ablauf konnte der Vermieter Schadensersatz geltend machen. Nun erklärt das OLG Köln, bei jeder Art von Schaden müsse der Vermieter dem Mieter zunächst eine Frist setzen.
Im Hinblick auf die knappe Verjährungsfrist des § 548 BGB (6 Monate nach Rückgabe der Mietsache) muss der Vermieter vor Ablauf der Verjährung nicht nur (mindestens) einen Mahnbescheid beantragen, sondern auch noch eine Frist zur Mangelbeseitigung setzen.
Das OLG Köln geht sogar noch einen Schritt weiter und erklärt, ein Mahnbescheid (der notwendig auf Geld gerichtet ist), könne die Verjährung des logisch vorgreiflichen Anspruchs auf die Restarbeiten nicht unterbrechen. Der Vermieter müsste danach – statt einen Mahnbescheid zu beantragen – sofort Klage erheben, mit Hauptantrag auf Restarbeiten und Hilfsantrag auf Zahlung. Das widerspricht allerdings ziemlich eindeutig dem neuen § 213 BGB, den das Gericht unbeachtet lässt (vgl BGH, XII ZR 12/13; 8.1.2014) .

OLG Köln, Urteil vom 21.05.2015, Aktenzeichen 18 U 60/14

20.05.2015: Amtsgericht München: Kündigung wegen Geburt eines Kindes

Der Vermieter sei berechtigt, einer Familie zu kündigen, wenn durch die Geburt eines weiteren Kindes eine Überbelegung der Wohnung entsteht. Überbelegung sei anzunehmen, wenn weniger als 10 m² pro Person zur Verfügung stehen oder pro Erwachsenem (einschließlich Jugendlicher ab 13 Jahren) bzw. pro zwei Kindern weniger als 12 m². Konkret lebten hier auf 26 m² zwei Erwachsene und ein Kind, und nun wurde ein zweites Kind geboren, woraufhin der Vermieter wegen Überbelegung kündigte.

AG München, Urteil vom 20.05.2015, Aktenzeichen 415 C 3152/15